In der Politik müsse dieses Bekenntnis nicht in jeder Stunde und an jedem Tag erfolgen. "Mein christlicher Glaube hilft mir, er ist mir auch Entlastung", sagte die Protestantin in einem Interview des katholischen Magazins "Credo". Merkel: "Mein Glaube sagt mir, dass ich wie jeder Mensch nicht nach Absolutheit streben muss, sondern fehlerhaft sein darf."
Tochter eines Pastors
Dies gelte auch für Politiker, auch eine hohe politische Position dürfe nie zur "Selbstüberhöhung" führen, unterstrich die Regierungschefin. Über ihre religiöse Erziehung sagte Merkel, ihre Eltern hätten sie und die beiden Geschwister mit dem Glauben gründlich vertraut gemacht. "Wir sind gern zur Christenlehre gegangen." Mit ihrem Vater, der als Pfarrer das Predigerseminar in brandenburgischen Templin leitete, hätten die Geschwister Gottesdienste besucht. Die sei alles in Freiheit erfolgt, Rebellion gegen Religion oder Nachdenken über Kirchenaustritt sei für sie nie in Frage gekommen, berichtet die ostdeutsche Politikerin.
Gebete sind Merkel zufolge nicht dafür da, zur Erfüllung irdischer Wünsche zu verhelfen: "Darum muss ich mich schon selbst kümmern." Im Blick auf die eigene Glaubenspraxis räumt die CDU-Politikerin ein, dass Kirchenbesuche selten seien. Die Unruhe, die mit öffentlichen Auftritten der Kanzlerin einhergingen, möchte sie am Sonntagmorgen niemandem zumuten. "Aber ich befasse mich immer wieder mit meinem Glauben, ich lese Texte, ich bete...". Auch singe sie sehr gern. Gefragt nach ihrem Lieblingslied nennt Merkel "Ein feste Burg ist unser Gott" von Martin Luther und die fröhlichen Lieder von Paul Gerhardt.
"C" im Parteinamen soll bleiben
Nachdrücklich widerspricht die CDU-Chefin Erwägungen, auf das "C" im Parteinamen der Union zu verzichten: "Nein, das C gehört zur CDU, es drückt den Kern aus, von dem wir uns nicht trennen können." Das Menschenbild, das der Politik der CDU zugrunde liege, sei das christliche. Dies hindere die Partei allerdings nicht daran, für Menschen mit anderer Religion offen zu sein. Überfordert wäre eine Partei aus Sicht von Merkel, wenn sie den Rückgang christlicher Überzeugungen in der Gesellschaft kompensieren sollte: "Eine Partei ist keine Glaubensgemeinschaft. Religiöse Unterrichtung und Ansprache müssen in den Familien und Kirchen geleistet werden."
Das katholische Magazin "Credo" erscheint den Angaben zufolge einmalig zum "Jahr des Glaubens". Am Donnerstag war "Credo" der "Süddeutschen Zeitung" und der Wochenzeitung "Die Zeit" beigelegt, in der nächsten Woche erscheint das Magazin als Beilage der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Herausgeber der Publikation, die in Zusammenarbeit mit der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" entstand, sind Bischof Gregor Hanke von Eichstätt und der Publizist Peter Seewald, der zugleich Chefredakteur ist. Ziel des Magazins sei es, auf der Grundlage des katholischen Glaubens Themen der Zeit zu behandeln und ein breites Publikum mit hoher journalistischer und grafischer Qualität für Fragen von Religion und Gesellschaft zu interessieren, heißt es.