Die evangelische Kirche erkennt alle Familienformen gleichermaßen an und fordert deren Unterstützung. Das sei eine zentrale Botschaft der Kirche in der Familienpolitik, sagte die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Berlin. Bergmann ist die Vorsitzende einer Kommission, die für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein Familienpapier erarbeitet hat, das an diesem Mittwoch vom EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider und ihr in Berlin vorgestellt wird.
Bergmann sagte, im evangelischen Verständnis sei die Ehe "ein weltlich Ding". "Wir würdigen und wertschätzen sie und stellen sie unter den Segen Gottes - aber daneben gibt es andere gleichwertige Lebensformen, die den gleichen Schutz und die gleiche Unterstützung von der evangelischen Kirche in Anspruch nehmen können", erläuterte Bergmann. In diesem Verständnis habe die evangelische Kirche die Aufgabe, sich in die Familienpolitik einzumischen.
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Sie müsse einfordern, was Familien brauchen, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können. Das gelte für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ebenso wie für Eheleute, für erwachsene Kinder, die ihre Eltern pflegen oder für Alleinerziehende. Es gebe keine Familienform, die weniger wert sei als eine andere, sagte Bergmann. Die Vielfalt der Familienformen anzuerkennen, entspreche dem Freiheitsverständnis der evangelischen Kirche, der Lebenswirklichkeit und dem deutschen Verfassungsrecht.
Die Kirche müsse aber nicht nur einfordern, was Familien brauchen, sondern könne selbst als Trägerin ihrer Einrichtungen wirksam werden, etwa in der Kinderbetreuung, im Bildungswesen oder in der Pflege: "Hier klaffen ja noch viele Lücken", sagte Bergmann.
Bergmann, die in der DDR in der Kirche aktiv war und nach dem Mauerfall in die Politik ging, bezeichnete das Grundsatzpapier als das "erste gesamtdeutsche Familienpapier" der evangelischen Kirche: "Das hat auch mit meiner Person zu tun", sagte sie.
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Dass in der DDR ein progressiveres Familienbild existierte, werde gern vergessen, sagte Bergmann: "Wir sind völlig unterschiedlich sozialisiert." Die Familienbilder in Ost und West seien bis heute sehr verschieden. Im Jahr des Mauerfalls hätten 90 Prozent der Frauen in der DDR Vollzeit gearbeitet, sagte Bergmann. Die Kinderbetreuung sei gesichert gewesen. Viele im Osten hätten die Debatten im Westen, etwa um die Kinderbetreuung, nicht verstanden.
Das EKD-Papier unter dem Titel "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" wird als "Orientierungshilfe" des Rates der EKD veröffentlicht. Es ist in dreijähriger Arbeit verfasst worden. Der dafür gebildeten Ad-hoc-Kommission unter Bergmanns Vorsitz gehörten unter anderem die Bremer Familienforscherin Ute Gerhard, die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und die Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Susanne Kahl-Passoth, an.