Sie haben den Mörder. 90 Minuten sind Freddy und Max durch Köln gehetzt, auch die Widrigkeiten im Privaten sind mehr oder weniger gekittet. Jetzt stehen sie an der Imbissbude, ein malerisches Köln-Panorama im Rücken – und essen Currywurst. Beinahe jede Episode des Kölner Tatorts endet mit dieser Szene. Dass die Stadt Köln solche Imbissbuden eigentlich gar nicht im Stadtbild sehen will und der Wagen für die Tatort-Dreharbeiten mit Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt extra auf die andere Rheinseite gehievt wird, sind nur unschöne Ketchup-Flecken auf der heimeligen Szenerie.
Auch die deutsche Wurst an sich in fremde Gefilde zu exportieren, wird immer wieder versucht, selten so prominent wie im Fall der Familie Hinz. Die wollten – begleitet von einem Kamerateam – in Miami, Florida, deutsche Bratwurst auf mobilen Dreirädern an die Amerikaner bringen. Andere haben es geschafft. Mittlerweile gibt es anscheinend überall, wo sich Deutsche niedergelassen haben, auch deutsche Wurstwaren zu kaufen.
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In Shanghai gibt es Rostbratwürste samt Sauerkraut für einen Grillabend, in Paraguay Weißwurst und Thüringer Bratwurst, Event-Catering mit deutschen Würsten in Melbourne und "German Home Sausage" in Bangkok und Saigon. Im Südwesten Portugals gibt es "die letzte Bratwurst vor Amerika". Grenzen überwinden müssen die Bratwürste an einer Raststätte in Ostthüringen. Dort wird der Imbiss über den Zaun gereicht, der die Gaststätte vom Parkplatz an der Autobahn trennt.
Der Weißwurstäquator und der Rest der Welt
Dass eine Wurst auch Kulturgrenzen definieren kann, zeigt sich am Weißwurstäquator. Dieser grenzt Altbayern vom Rest der Welt und Deutschlands ab. Nur der genaue Verlauf ist strittg, manchmal liegt er so südlich wie die Donau, manchmal hoch im Norden entlang des Mains.
Geht man die Wurst wissenschaftlich an, lässt sie sich in drei Klassen schneiden: Rohwurst, Brühwurst, Kochwurst. Bratwürste sind zum Braten gedacht. Hier gilt: Jede Region ihre Wurst. In die Rheinische kommt Ei, die Fränkische kommt mittelgrob und mit Majoran und Piment daher, die Norddeutsche grob, die Polnische hat Knoblauch und Majoran in sich, die Coburger mischen Rindfleisch und Kümmel bei, in Hessen kitzeln Zwiebelstückchen den Gaumen. Die Bratwürste aus Schweinfurt und Thüringen sind roh, werden also erst kurz vor dem Verzehr gegart. Die Thüringer Rostbratwurst darf sich nur so nennen, wenn mehr als die Hälfte in ihr auch tatsächlich aus Thüringen stammt. Weil man dort ganz versessen auf Würste scheint, steht in Thüringen das erste und einzige Bratwurstmuseum. Berlin hat dafür ein Currywurstmuseum.
Geknickte und Blaue Zipfel
Für Braunschweiger gibt es nur die Eine: In der VW-Fleischerei hergestellte Currywurst samt VW-Gewürz-Ketchup. Einst nur in der Kantine des Autobauers hergestellt, gibt es die Spezialität jetzt auch außerhalb zu kaufen. In Würzburg nennt man sie "Geknickte", weil die Dame vom Imbissstand die Wurst knickt, wenn sie (die Wurst) ins "Brötle" kommt. In Franken und der Oberpfalz gart man die Wurst auch mal in Essig und nennt das Ergebnis "Blaue Zipfel". Das "perfekte" Rezept wird auch mal über Generationen hinweg vererbt - und wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Manch einer mag behaupten, dass es nur bei Muttern richtig schmeckt.
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Auch Homer erwähnt in seiner Odysee bereits eine Form von Blutwurst. Tatsächlich verstanden sich die Griechen und Römer bereits in der Antike auf die Wurstherstellung. Die Streitfrage, ob zur Currywurst Pommes nun Ketchup oder Mayo gehört, oder beides oder keins von beiden, ist als Kriegsgrund nicht verbürgt. Dennoch wird bis heute darüber gestritten, ob eine Currywurst mit oder ohne Darm gehört, aus Bratwurst gemacht wird oder eben nicht. Weil der Mensch zu Dummheiten neigt, gibt es die Sauce auch in so-extrem-scharf-da-hat-man-Tage-später-noch-was-davon (offiziell gemessen auf der Scoville-Skala).
Die geschnittene Wurst mit Currysauce nimmt solch einen wichtigen Platz ein, dass gar Herbert Grönemeyer ihr ein Lied widmete. Der gesamte Text ist ebenso schlicht wie der Titel: "Currywurst". Alle Vegetarier, die bis hierhin durchgehalten haben, besänftigt Helge Schneider mit seinem "Käsebrot". Freddy aus dem Tatort übrigens bezahlt seine Wurst nie. Am Ende sagt er immer nur: "Schreib's auf, ja?" Kommen darf er trotzdem immer wieder. Wurst ist und bleibt schließlich Heimat.