In der "ökonomiefixierten Gesellschaft" müssten Elternschaft und gesellschaftliches Engagement für Kinder "zusammenspielen und nicht gegeneinander", sagte Käßmann am Samstag beim 11. Thüringer Bildungssymposium in Erfurt. Im Kern gehe es um die Frage, "ob wir bereit sind, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu sein". Wer nur Börsenkurse im Blick habe, "kann tief fallen".
Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe für alle seien ein "reformatorisches Erbe". Angesichts einer wachsenden Schere zwischen gut versorgten und vernachlässigten Kindern in Deutschland gehe es "wie zu Luthers Zeiten auch heute um Bildungsgerechtigkeit", sagt die Theologin, die im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 wirbt. Martin Luther (1483-1546) sei der erste gewesen, der dieses Thema ebenso wie die Bildungsteilhabe öffentlich gemacht und sich vehement dafür eingesetzt habe. 500 Jahre später sei Deutschland jedoch "arm an Kindern, und viele Kinder sind arm".
Diese Armut sei "ganz dezidiert Bildungsarmut" und ein Skandal, kritisierte Käßmann. Kinder würden allerdings weiterhin als "Gedöns" gesehen, die "irgendwie zu versorgen" seien. Tatsächlich müsse die Gesellschaft neu lernen, dass die Weitergabe von Tradition, Kultur und ethischen Werten "eine wunderbare Aufgabe" sei. Dabei gehe es mit der Vermittlung von Bildung nicht nur um Anwendungswissen, sondern auch um Grundlagen für das eigene Urteilsvermögen, fügte Käßmann hinzu.