Gauck sagte, die Möglichkeiten des Internet böten zwar neue Wege für einen kreativen Diskurs. Ein redaktioneller, an professionellen Kriterien orientierter Journalismus biete jedoch "ein weitaus höheres Maß an Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit", erkläre das Staatsoberhaupt. Dies unterscheide ihn vom "gelegentlichen Meinungs-Tsunami im Netz", in dem "jeder posten und pesten kann, wie er will".
Qualität gebe es jedoch nicht umsonst, betonte der Bundespräsident. Hier gebe es einige "bedrohliche und zum Teil erschreckende Tendenzen" durch Einsparungen in den Verlagshäusern. So leisteten etwa immer mehr freie Journalisten "gute Arbeit für einen äußerst bescheidenen Lohn". Es sei die Frage, ob allein ein radikaler Sparkurs die Antwort sein könne, sagte Gauck. Dieser sei ja "meistens kein Ausweis für Ideenreichtum". Schlechter und billiger Journalismus jedenfalls werde dem Gemeinwesen insgesamt schaden.
Warum zwei hochbetagte Freundinnen die beste Hühnerbrühe von Berlin kochen
Mit dem Theodor-Wolff-Preis wurden fünf Journalisten ausgezeichnet. Den Preis in der Kategorie Kommentar/Glosse/Essay erhielt Harald Martenstein für seinen Beitrag "Der Sog der Masse" in der "Zeit". Die Auszeichnungen in der Sparte Lokales gingen an Lars Fischer und Philip Cassier. Fischer wurde für seinen Artikel "Ein gefundenes Fressen" in der in Lilienthal erscheinenden "Wümme-Zeitung" geehrt. Der Autor hatte sich eine Woche lang als Mülltaucher aus den Abfallcontainern von Supermärkten ernährt. Cassier erhielt die Auszeichnung für seinen Beitrag "Eine Dosis jüdisches Penizillin" ("Berliner Morgenpost"), in dem er schildert, warum zwei hochbetagte Freundinnen die beste Hühnerbrühe von Berlin kochen.
Alexander Gorkow und Volker Zastrow bekamen die Journalistenpreise in der Kategorie Allgemeines. Gorkow porträtiere in seinem Artikel "Ein anderes Leben" ("Süddeutsche Zeitung") ebenso "diskret wie detailreich" den Schauspieler Matthias Brandt und wie dieser sich vom Schatten seines Vaters Willy Brandt freimachte, befand die Jury. Volker Zastrow beschreibe in seinem Beitrag "Wie Ken den Kopf verlor" ("Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung") den Fall von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als gesellschaftliches und politisches Phänomen.
Der Preis ist mit jeweils 6.000 Euro dotiert. Im kommenden Jahr soll er erstmals auch an einen Autoren vergeben werden, dessen Text ausschließlich im Internet veröffentlicht wurde.
Die Auszeichnung erinnert an Theodor Wolff (1868-1943), den langjährigen Chefredakteur des "Berliner Tageblatts". Wolff musste 1933 vor den Nationalsozialisten ins französische Exil fliehen, dort wurde er verhaftet und der Gestapo ausgeliefert. 1943 starb er im Jüdischen Krankenhaus in Berlin.