Beim Bewerbungstraining muss Jens Stäbel oft bei den Grundlagen anfangen. "Wie erkundige ich mich am Telefon nach einem Ausbildungsplatz? Wie trete ich im Vorstellungsgespräch gepflegt auf?" Stäbel leitet das Jugendzentrum "Villa Kanzlerstraße" in Gelsenkirchen und berät dort regelmäßig Jugendliche über Berufswahl und Bewerbungen.
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Dabei gehe es nicht nur darum, was in eine Bewerbungsmappe gehört, sondern auch um soziale Kompetenzen: etwa Umgangsformen oder die Anpassung an verschiedene Situationen. "Das sind ganz simple Sachen, die aber nicht alle Jugendliche unbedingt mitbringen", sagt Stäbel. Er glaubt, dass Jugendarbeit solche Defizite immer stärker ausgleichen muss.
Jugendzentren bieten mehr als nur einen Ort zum Kickern, Billardspielen und Rumhängen. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München zeigt, dass Bildungsaufgaben und der Umgang mit sozialen Problemen immer wichtiger werden. Für die Studie befragte das DJI bundesweit 1.700 Einrichtungen. Die Ergebnisse zeigen: Jugendzentren haben sich durch Ganztagsschule, neue Medien und Armut verändert. "Gerade in Ballungszentren springen sie dort ein, wo andere gesellschaftliche Akteure fehlen", sagt Tina Gadow, Erziehungswissenschaftlerin am DJI.
64 Prozent der befragten Einrichtungen hatten Angebote zur Berufsvorbereitung, etwa die Hälfte auch solche zur schulischen Förderung. Einen offenen Treff hatten 86 Prozent der Jugendzentren. "Es wird aber immer wieder kritisch diskutiert, ob der offene Treff noch seine Kernfunktion besitzt", sagt Gadow.
"Bei vielen ist der Tag schon komplett durchgeplant"
Auch Sozialpädagoge Jens Stäbel berichtet, dass es nicht leicht gewesen sei, die Villa Kanzlerstraße als Treffpunkt für junge Leute zu etablieren. Er übernahm das städtische Jugendzentrum im Juli 2012. "Durch die neuen Medien brauchen Jugendliche eigentlich kein Jugendzentrum, um sich auszutauschen", sagt der Sozialpädagoge.
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Um die Einrichtung für Kinder und Jugendliche wieder attraktiv zu machen, gestaltete er den offenen Treff um: Heute wirkt der Raum mit den hohen Stuckdecken, den schwarzen Ledersofas und der Bar eher wie ein schickes Café. Daneben setzt Stäbel unter anderem auf musikalische Angebote. Es gibt einen Proberaum und kostenlosen Schlagzeug- und Gitarrenunterricht, bald soll ein Tonstudio dazukommen. Stäbel berichtet, dass es trotzdem Mühe koste, Jugendliche bei der Stange zu halten: "Bei vielen ist der Tag schon komplett durchgeplant."
Eine Entwicklung, die auch Jürgen Holzwarth, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen, beobachtet: "Die Rahmenbedingungen von Jugendarbeit ändern sich - auch weil die freie Zeit von Kindern und Jugendlichen durch Ganztagsschulen und die kürzere Schulzeit knapper wird."
Zusammenarbeit mit Ganztagsschulen
Zudem seien Jugendzentren seit der ersten PISA-Studie stärker als Träger von Bildungsangeboten im Fokus: Sie sollen die Sozialkompetenzen vermitteln, die in der Schule auf der Strecke bleiben. In der DJI-Studie gab mehr als jede vierte Einrichtung an, mit Schulen zu kooperieren. Manche Jugendzentren organisieren Mittagessen für offene Ganztagschulen, andere bieten Sportangebote oder Hausaufgabenhilfe an. Jugendzentren könnten so neue Besucher gewinnen, sagt Holzwarth.
Doch er gibt zu bedenken: Schule basiere auf Schulpflicht und strikter Hierarchie, Jugendzentren dagegen auf Freiwilligkeit und Beteiligung. Die Einrichtungen müssten sich aber in Kooperationen einbringen, betont Holzwarth. "Jugendzentren sollten jungen Leuten einen eigenständigen Bildungsort bieten und sich nicht auf die Funktion eines Betreuungs- und Aufsichtshelfers oder Dienstleisters reduzieren lassen."
Die Zusammenarbeit mit Schulen lasse sich durchaus mit den Prinzipien von offener Kinder- und Jugendarbeit verbinden, glaubt Holzwarth. Wenn Jugendzentren für Schulen das Mittagessen übernehmen, könnte das ja auch als Beteiligungsprojekt organisiert werden, schlägt er vor. "Die Schüler könnten das Essen ja auch planen, organisieren und mitkochen."