Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske verteidigte am Samstag auf dem evangelischen Kirchentag in Hamburg die Verfassungsbeschwerde seiner Gewerkschaft gegen ein umstrittenes Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts, das den Sonderweg bei der Festlegung der Arbeitsentgelte und -bedingungen für Mitarbeiter von Diakonie und Kirche grundsätzlich bestätigt hatte. Kirchentagspräsident Gerhard Robbers schloss nicht aus, dass die Kirchen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen, falls ver.di ein generelles Streikrecht für Kirchenmitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht durchsetzen sollte.
Die Kirchen sollten nicht das Recht haben, auf dem Rücken der Beschäftigten Lohndumping zu betreiben und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, sagte Bsirske in einem Streitgespräch. Robbers erwiderte: "Lohndumping darf nicht sein." Wo es diese Praxis in der Kirche gebe, müsse sie beendet werden. "Die Kirche muss besserer Arbeitgeber sein", formulierte Robbers, der Staatsrechtsprofessor an der Universität Trier ist.
Ver.di-Chef Bsirske wies zurück, dass ein Streikrecht für Mitarbeiter in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen den kirchlichen Auftrag betreffe: "Es geht nicht um einen Kampf gegen die Kirche." Kirchentagspräsident Robbers forderte die Gewerkschaften auf, wieder in den arbeitsrechtlichen Kommissionen mitzuarbeiten, in denen für kirchliche Mitarbeiter Löhne und Arbeitsbedingungen ausgehandelt werden. Zudem warb er dafür, dass beide Seiten gemeinsam neuen Ideen entwickeln sollten, um die derzeitige "Verhärtung" aufzulockern.
Hintergrund des Streits ist die Forderung von ver.di und der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, auch in kirchlichen Einrichtungen wie Diakonie und Caritas streiken zu dürfen. Das sei durch die im Grundgesetz festgelegte sogenannte Koalitionsfreiheit gewährleistet. Die Kirchen bestehen dagegen auf ihr ebenfalls im Grundgesetz verankertes Selbstbestimmungsrecht.
Danach können sie die kirchlichen Arbeitsverhältnisse selbst auf dem sogenannten Dritten Weg regeln. Kirchliche Einrichtungen und ihre Beschäftigten bilden danach eine Dienstgemeinschaft im christlichen Auftrag. Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks und Aussperrung sind dabei ausgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Praxis im November 2012 im Grundsatz bestätigt, aber eine bessere Beteiligung der Gewerkschaften angemahnt.