Bischof Julius Hanna Aydin beginnt den Tag mit einem Frühstück in der Klosterküche. Mit seinem langjährigen Berater - dem 86-jährigen früheren Behördenleiter Walter Strümper, der sich seit Jahrzehnten mit den Religionen des Orients beschäftigt - diskutiert er über die Situation der Kirche im Orient und über die Planungen für das Kloster. Der 65-jährige Bischof in schwarzer Amtstracht und mit langem grauen Bart ist der oberste Vertreter der syrisch-orthodoxen Christen in Deutschland. Amtssitz ist das Kloster St. Jakob von Sarug in Warburg im Kreis Höxter.
Sorgen bereitet dem Erzbischof zurzeit vor allem die Situation der Christen in Syrien. Gerade hat ihn das Oberhaupt der Syrischen-Orthodoxen Kirche aus Damaskus, Ignatius Zakka I. Iwas, besucht. Der Geistliche zeigte Fotos von zerstörten Kirchen. "Viele Christen sind in die benachbarten Dörfer geflohen und haben jetzt weder zu essen noch Medikamente", erzählt Aydin. "Wir brauchen Hilfe von unseren Schwesterkirchen."
Angst vor Fundamentalisten
Den Christen in Syrien werde oft vorgeworfen, Sympathisanten des Assad-Regimes zu sein, erklärt der Bischof. Da Machthaber Baschar al-Assad selbst zu einer liberalen Minderheitengruppe im Islam, den Alawiten, gehöre, hätten Christen in dem Land relativ unbehelligt leben können. Die Christen fürchteten nun jedoch, dass fundamentalistische Muslime an die Macht kommen. "Dann geht es den Christen dort wie in Ägypten, dem Irak oder dem Sudan", warnt der Erzbischof.
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Schwierig ist die Lage für die Christen auch in der Türkei. Vor wenigen Wochen entschied das Kassationsgericht in Ankara gegen das 1.600 Jahre alte syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel. Nach dem Urteil gehören nun die Ländereien am Kloster, die von den Priestern bewirtschaftet wurden, dem türkischen Staat. Damit werde dem berühmten traditionsreichen Kloster seine Lebensgrundlage entzogen, beklagt der Erzbischof.
Die syrisch-orthodoxe Kirche, in der bis heute die Sprache Jesu, Aramäisch, gesprochen wird, zählt zu den ältesten Kirchen weltweit. Sie sieht sich in der direkten Nachfolge der Apostel Petrus und Paulus aus dem ersten Jahrhundert. Gehörten die syrisch-orthodoxen Christen bis zur Mitte des letzten Jahrtausends noch zu den großen Kirchen, bilden sie heute Minderheiten in muslimischen Ländern. Ihre Kirchenmitglieder sind über die ganze Welt verstreut.
Nur der Bischof und ein Mönch
Das ehemalige Benediktinerkloster in Warburg mit einem Areal von rund 40.000 Quadratmetern, seit 1996 Sitz des Erzbistums der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, wirkt ein bisschen verlassen. Wenn gerade keine Delegationen oder Jugendgruppen zu Gast sind, sind die einzigen Bewohner nur der Bischof selbst und ein Mönch. Zu dem Kloster gehören eine Kirche, in der die örtliche Gemeinde ihren Gottesdienst feiert, eine Kapelle, Schulungszimmer, Empfangsräume und eine Bibliothek. Hier sollen bald wieder Priester ausgebildet und Kinder aus syrisch-orthodoxen Familien unterrichtet werden.
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Bundesweit Bestürzung erregte ein brutaler Überfall auf den Warburger Bischof vor zwei Jahren. Wenn Aydin heute in dem spartanisch eingerichteten Zimmer mit einigen Ikonen an den Wänden steht, ist diese Nacht für ihn wieder gegenwärtig. "Sie wollten mich hier töten", ist der Bischof überzeugt. Drei Männer, die aramäisch sprachen, verletzten ihn schwer. Durch ein Klebeband über Nase und Mund bekam der Bischof kaum Luft. Schließlich schnitten ihm die Angreifer den Bart ab, der in der orthodoxen Kirche eine große Bedeutung hat.
Die drei Täter wurden von der Polizei gefasst und wegen schweren Raubs mit Körperverletzung zu Haftstrafen zwischen viereinhalb und sieben Jahren verurteilt. Als Drahtzieher verdächtigte die Bielefelder Polizei einen früheren Diözesanrat der syrisch-orthodoxen Kirche, der eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung erhielt. Der Bischof hatte den damaligen Diözesanrat wegen mehrerer Streitigkeiten exkommuniziert, wie er erzählt.
Streit in den Gemeinden
In den 64 Gemeinden in Deutschland mit schätzungsweise 90.000 Mitgliedern gibt es für den Bischof noch einige Probleme zu lösen. So komme es immer wieder zu Kontroversen unter den Gemeinden, die für ihre Pfarrer und ihre Arbeit selbst aufkommen müssen, berichtet der Bischof. Außerdem werden die Mitglieder immer weniger.
Für die in Europa aufgewachsene junge Generation wirke die Kirche mit ihrer orientalischen Tradition oft fremd, erläutert Experte Strümper. Doch der Bischof bewahrt sich ein Stück Optimismus: Die Kirche sei schon lange eine Kirche in der Diaspora. Die syrisch-orthodoxen Christen seien dadurch anpassungsfähig und flexibel geworden.