Jugendliche gestalten die Kirche der Zukunft

Jugendliche beim Kongress in Wittenberg
Foto: PR
Du hast die Wahl – Jugendliche diskutieren über Mitbestimmung in der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland
Jugendliche gestalten die Kirche der Zukunft
45 Jugendliche ab 15 Jahren machen sich Gedanken, wie sie sich die Kirche von morgen vorstellen. In Wittenberg hat am vergangenen Wochenende die Zukunftskonferenz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) unter dem Motto "Deine Kirche – ohne mich? Jugend will mehr!" stattgefunden. Vera Lohel hat die Konferenz organisiert und weiß nun etwas genauer, was sich die Jugendlichen wünschen.
16.04.2013
evangelisch.de

Die 45 Teilnehmer der Zukunftskonferenz haben sich Gedanken über die Zukunft der Kirche gemacht. Wie geht man so etwas an?

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Vera Lohel: Mit der Vergangenheit. Die Teilnehmer sind zunächst 20, 30 Jahre zurückgegangen und haben sich gefragt, was hinter uns liegt. Die meisten Erinnerungen waren in den vergangenen zehn Jahren geballt. Diese wurden dann auf Schlagworte konzentriert und Trendaussagen formuliert.

Was war das Ergebnis: Früher war alles besser?

Lohel: Im Gegenteil. Da kamen vor allem negative Ergebnisse hoch, besonders solche aus der Weltgeschichte. Es gab aber auch viele schöne private Erinnerungen.

Was war der nächste Schritt?

Lohel: Der Blick in die Zukunft. Hier konnten die Jugendlichen richtig "herumspinnen", wie sie die Kirche der Zukunft sehen – und kreativ werden. Das war einer der schönsten Momente. Es gab Theaterstücke, andere Gruppen produzierten eine Nachrichtensendung oder bastelten.

Das hört sich ziemlich brav an. Keiner wollte die Revolution und die alten Verhältnisse stürzen?

Lohel: Ich dachte anfangs auch, dass manche bestimmt die Strukturen umwälzen wollen. Stattdessen haben sich die jungen Leute aber auf die Grundwerte besonnen, die wir im Alltag leben sollten: Offenheit, Vertrauen, Verlässlichkeit, Aufeinander zugehen, ein milieu- und generationsübergreifendes Miteinander, Wertschätzung und Gerechtigkeit. Natürlich wurde auch Attraktivität für Nachwuchs und Mitbestimmung sowie bessere Vernetzung und Räume für Persönlichkeitsentfaltung in unserer Kirche gefordert.

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Wenn es dabei bleibt, wird die Zukunft der Kirche vor allem eines: theoretisch.

Lohel: Nein, nein, wir haben dann auch ganz praktische Projektideen für eine lebendige Kirche, die auf Menschen zugeht und sie abholt, erarbeitet. Zum Beispiel wollen unsere beiden Jugendkirchen in Mühlhausen und Salzwedel in Zukunft eng zusammenarbeiten und andere zum Nachmachen anregen. Außerdem soll eine Seite in Sozialen Netzwerken gegründet werden, auf der sich die Aktiven immer wieder auch über gelungene Aktionen auszutauschen und sich zum anstehenden Kirchentag in Hamburg zu verabreden. Eine Art "Stammtisch" mit dem Landesjugendpfarrer wurde gewünscht.

Die Teilnehmer wollen in ihren Kirchenkreisen und Gemeinden für den Landesjugendkonvent werben. Und die Angebote für junge Erwachsene in Gemeinden sollen auf den Prüfstand gestellt und den Bedürfnissen dieser Zielgruppe angepasst werden. Der Landesjugendkonvent hat sich etwas Generationsübergreifendes überlegt und möchte demnächst ein Altenheim besuchen. Eine andere Idee ist die eines sportlichen und geistigen Wettkampfs, eine Art Bibelolympiade zwischen den Kirchenkreisen in der EKM also. All diese Projektideen haben wir in Vereinbarungen festgehalten, die die Jugendlichen unterschrieben haben.

Gruppenbild mit Luther: Die Teilnehmer der Zukunftskonferenz in Wittenberg

Was kann die Kirche, was kann der Pfarrer tun, um die Jugendlichen mit einzubeziehen?

Lohel: Vor allem muss dieses "Schäfchen-Denken" aufhören. Ein Jugendlicher muss doch nicht immer starr in der Gemeinde, in der er konfirmiert wurde, bleiben. Wenn Aktivitäten oder Angebote einer anderen Gemeinde ihn mehr ansprechen, soll er ruhig dort hingehen - ohne schief angesehen zu werden. Dieses Konkurrenzdenken bringt nichts. Stattdessen sollte das Problem offen angesprochen werden. Wenn junge Leute die Angebote oder Nicht-Angeboete in einer Gemeinde kritisieren, dann sollen die Verantwortlichendas nicht abwehren oder sagen "Werdet ihr erst mal älter, dann seht ihr, dass nicht alles so rosig ist!"

Das klingt ganz schön nach jungen Mustergläubigen. Die Realität sieht doch anders aus.

Lohel: Dass hier in Wittenberg die besonders Engagierten dabei waren, ist uns klar. Aber deren Ideen und Einsatzwillen machen uns zuversichtlich für die Zukunft.

Ihre Zukunftsaktion vereint zwei „umkämpfte“ Gruppen von Gläubigen: junge Leute und Ostdeutsche. Ist das nicht besonders mühsam?

Lohel: Keineswegs! Die Menschen hier, die gläubig sind, wollen auch etwas bewegen und sind mit Freude dabei. Im Osten ist Kirche nichts selbstverständlich, keine Volkskirche wie im Westen. Dafür hat die Kirchenarbeit eine hohe Qualität und einen guten Ruf. Da wo vielleicht das öffentliche soziale Netz löchrig ist, ist die Kirche breiter aufgestellt und kann verschiedene Bildungs- und Freizeitangebote sowie Engangement- und Entfaltungsmöglichkeiten anbieten.

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Ihr Tipp an Gemeinden?

Lohel: Wenn junge Leute aktiv werden wollen, trotzt des Drucks, der auf ihnen lastet, dann lasst sie machen und habt Vertrauen! Viele wollen und können etwas bewegen.

Welches Schlagwort oder Bild ist Ihnen aus diesem Wochenende besonders in Erinnerung geblieben?

Lohel: Es gibt so viele Eindrücke. Aber etwas fand ich bemerkenswert. In einem Theaterstück wurde das Leben dargestellt in Form eines Tablet-Computers, mit ganz vielen Apps, also den Aktivitäten in unserem Leben, die auch etwas mit Kirche zu tun haben. Doch irgendwann war der Akku leer. Und wissen Sie, wo die Jugendliche den Akku symbolisch aufgeladen haben? Im Gottesdienst!