Zwei Jahre Arbeit für zwei Stunden Musik

Foto: epd-bild/Stephan Wallocha
Über das Leben und Sterben des Theologen Dietrich Bonhoeffer erzählt die Musik von Stephan Pfeiffer.
Zwei Jahre Arbeit für zwei Stunden Musik
Stephan Peiffer komponierte die Bonhoeffer-Oper
Seit zwei Jahren arbeitet Stephan Peiffer an der Bonhoeffer-Oper, die zum Kirchentag in Hamburg uraufgeführt werden soll. Der 27-jährige Komponist hat sein Werk noch nie gehört, doch er hat es im Kopf oder spielt Passagen auf dem Klavier. Die Live-Proben mit Chor, Orchester und Solisten haben dieser Tage erst begonnen.
12.04.2013
epd
Klaus Merhof

Wie die Oper zur Premiere am 2. Mai insgesamt klingen und wirken wird, erwartet Peiffer selbst mit größter Spannung: "Das wird ein einziges Abenteuer."Unter dem Titel "Vom Ende der Unschuld" werden in fünf Bildern Motive aus dem Leben und Denken des deutschen Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) in einem Gleichnis auf die Bühne gebracht. Wie kommt man auf so was? "Die Idee hatte der Kirchentagspräsident", sagt Peiffer. Schon Anfang 2011 habe Gerhard Robbers in der Hamburger Musikhochschule angefragt, wer für so ein Projekt in Frage käme. "Die Wahl fiel auf mich, und ich habe ja gesagt."

460 Seiten Partitur

Peiffer, 1985 in Volkmarsen bei Kassel geboren, bekam mit acht Jahren den ersten Klavierunterricht. Mit 14 belegte er als Jungstudent die Fächer Klavier und Komposition an der Musikakademie Kassel und wechselte 2005 an die Hamburger Musikhochschule, wo er 2010 sein Diplom und 2011 seinen Bachelor abschloss. Da war er schon mehrfacher Preisträger von "Jugend musiziert" (Klavier) und im Bundeswettbewerb "Schüler komponieren".

Die Partitur, also das Notenbuch für alle beteiligten Musiker, wird etwa 460 Seiten dick - insgesamt zwei Stunden Musik. Anfangs habe er sich in das Leben Bonhoeffers eingelesen, der noch kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers umgebracht wurde. Danach habe er begonnen, erste "musik-philosophische Überlegungen" anzustellen und einzelne Motive und Themen zu notieren.

"Die Nazis haben alles und jeden missbraucht, auch die Musik." Peiffer erinnert an die Vereinnahmung von Richard Wagner oder Frank Liszt: Dessen "Les Preludes"-Fanfare leitete sogar die offiziellen Propaganda-Sendungen des Regimes ein. Viele Musiker hätten sich danach dazu entschlossen, komplett mit aller Tradition zu brechen und nur noch "neue Musik" machen zu wollen. 

Kinderlied-Motive und Marschmusik

Die Idee, aus dem Bonhoeffer-Stoff eine Parabel zu machen, habe ihn dann "sehr inspiriert", sagt der junge Komponist. Fast schamlos habe er sich aller musikalischer Epochen bedient, angefangen mit alten Psalmklängen, gregorianisch anmutenden Chorälen und der gesamten klassischen bis spätromantischen Tradition. "Auch Kinderlied-Motive und Marschmusik kommen vor", sagt Peiffer. Musik könne gefallen, aber auch verführen: "Das habe ich genutzt, sie also auch missbraucht - fast so wie die Nationalsozialisten." Das passe zum Thema.

Gerade an dem schlichten Kinderlied wird dies deutlich: Für die beiden männlichen Hauptpersonen Hernan und seinen Widersacher Drago verwendet Peiffer das gleiche Grundmaterial. Doch die Musik entwickelt sich in konträre Richtungen: Bei Hernan bleibt das Lied harmonisch und hoffnungsvoll, bei Drago entwickelt sich martialische Marschmusik.

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Auch Anklänge an Gustav Mahler und Dmitri Schostakowitsch seien dabei, sagt Peiffer und verhehlt nicht seine Bewunderung für beide. Jazz-, Pop- oder Rock-Assoziationen sind dagegen seine Sache nicht. In dem klassisch besetzten Orchester fehlen darum auch Saxofone. Dafür ist eine Harfe vorgesehen. 

Was macht ein Komponist nach der Uraufführung? "Er hofft auf gute Kritiken", sagt Peiffer. Dann gebe es vielleicht Folge-Aufträge. Möglicherweise könne man sich "einen Namen machen". Das sei wie bei einer Lotterie: Völlig ungewiss. Er schreibe an einer Doktorarbeit über Robert Schumann - aber "diese Bonhoeffer-Oper hat erst mal alles andere verdrängt".