Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte am Mittwoch angekündigt, dass Berliner Ärzte bei Beschneidungen von jüdischen oder muslimischen Jungen grundsätzlich keine Strafverfolgung mehr befürchten müssen, bis eine bundesweit einheitliche Regelung gefunden wird. Wer kein Mediziner ist und trotzdem Beschneidungen vornimmt, muss hingegen mit einer Überprüfung rechnen, ob der Eingriff fachgerecht vorgenommen wurde.
Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg forderte, die in der Regelung verlangte Nachweispflicht der Religionszugehörigkeit müsse ersatzlos gestrichen werden. Die ebenfalls geforderte Einwilligungserklärung der Eltern reiche aus. Grundsätzlich sei allerdings die vorgestellte Regelung zu begrüßen. Auch der Vorsitzende des Islamrats, Kizilkaya, erklärte, die Forderung nach Vorlage einer Bestätigung durch die jeweilige Religionsgemeinschaft mache die Betroffenen von den jeweiligen Institutionen abhängig.
Bayern will anderen Bundesländern folgen
Bayern kündigte unterdessen an, nun doch dem Beispiel Baden-Württembergs und Berlins folgen zu wollen. Im Fall von Anzeigen würden bayerische Staatsanwaltschaften Strafverfolgungsmaßnahmen so lange zurückstellen, bis ein entsprechendes Bundesgesetz in Kraft getreten ist, kündigte Justizministerin Beate Merk (CSU) in München an. Noch vor wenigen Tagen hatte ihr Ministerium ein solches Vorgehen abgelehnt.
Die frühere Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, schloss sich in rbb-Inforadio der bereits in den letzten Tagen geäußerten Kritik am Berliner Justizsenator an. Heilmann sei "als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet". Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" (Freitag) soll Heilmann die Übergangsregelung in alleiniger Verantwortung verkündet haben. Einen gemeinsamen Beschluss des Senats habe es dazu nicht gegeben. Auch sei vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ausdrücklich abgelehnt worden, die Regelung im Namen des Senats vorzustellen.
Juden noch gewollt?
Angesichts der laufenden Diskussion über Beschneidungen äußerte der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont Verständnis für die Sorgen der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, ob Juden in Deutschland überhaupt noch gewollt seien. Auf zehn Bestätigungen des Kölner Richterspruchs seien in den vergangenen Wochen eine, bestenfalls zwei Gegenstimmen zu hören gewesen, "die zur Mäßigung aufriefen und auf Verständnis für die jüdische Kultur hinwiesen", schreibt der Verleger in einem Offenen Brief an Knobloch. Das Schreiben wurde unter anderem in den Freitagsausgaben der "Frankfurter Rundschau" und der "Berliner Zeitung" veröffentlicht.
"Wie kommt es dazu, dass keine Frage einen erheblichen Teil der Deutschen so sehr bewegt, wie die Beschneidung von Knaben, ein über die Jahrtausende akzeptierter und ausgeübter Vorgang anderer Religionen?", fragt der Verleger. Knobloch habe deshalb nicht nur das Recht, dünnhäutig zu sein, nein, sie müsse es auch "für uns Deutsche sein, wenn den einen oder anderen die Orientierung verloren geht".