Mit einem Gottesdienst haben die evangelische und katholische Kirche in Baden-Württemberg am Freitag in Stuttgart der Deportation von Sinti und Roma vor 70 Jahren gedacht. Bei der Gedenkfeier in der Domkirche St. Eberhard bekannten der katholische Bischof Gebhard Fürst (Diözese Rottenburg-Stuttgart) und der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer eine Mitschuld der Kirchen "durch Amtshilfe, aber auch durch Wegsehen und Schweigen", wie die Rottenburger Diözese und die badische Landeskirche mitteilten.
Nach der NS-Zeit sei lange verdrängt worden, dass Sinti und Roma Opfer nationalsozialistischen Rassenhasses gewesen seien. Daher gebe es eine biblische Pflicht zum Erinnern eigener Schuld. Aus ihr erwachse die Kraft, "allen Tendenzen von Diskriminierung und Ausgrenzung, vor allem auch allen Tendenzen zu neuem Nazismus in unserem Land frühzeitig zu widerstehen", unterstrich Landesbischof Fischer in seiner Predigt laut Redemanuskript. Der Tod von einer halben Million Sinti und Roma durch die Rassegesetze in der NS-Zeit reihe sich ein in eine lange Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung, sagte Bischof Fürst.
Heutiges Elend eine "Schande für Europa"
Die aktuelle Diskussion über die Öffnung der Grenzen zu Rumänien und Bulgarien stehe mit dieser Leidensgeschichte im Zusammenhang, betonte Landesbischof Fischer. Das Elend, in dem Sinti und Roma in manchen ost- und südosteuropäischen Ländern noch leben müssten, sei eine "Schande für Europa", kritisierte Bischof Fürst. Es sei auch beschämend, dass die deutschen Sinti und Roma zwar offiziell als Minderheit anerkannt seien, "dass aber denen, die als Flüchtlinge hierher kommen, keinerlei Existenzmöglichkeiten gewährt werden".
Im März 1943 verschleppten die Nationalsozialisten 456 Sinti und Roma aus 52 baden-württembergischen Orten ins Konzentrationslager Auschwitz. Die Hälfte von ihnen waren Säuglinge, Kleinkinder und Kinder. Nur wenige überlebten. Insgesamt wurden damals aus Deutschland 12.000 Sinti und Roma in das Vernichtungslager deportiert.