Der erste Operationssaal war ein fensterloser Hühnerstall, ein Bootsschuppen die Unterkunft für die Kranken. Vor 100 Jahren gründete Albert Schweitzer (1875-1965) in Lambarene in Gabun ein Hospital. Als Theologe und frisch ausgebildeter Arzt brach er am 21. März 1913 vom elsässischen Günsbach ins damalige Französisch-Äquatorialafrika auf. Damit begann er eine Hilfsaktion, die weltweit berühmt wurde und bis heute Früchte trägt.
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Das 100-Jahr-Jubiläum will der Deutsche Hilfsverein für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene nutzen, um den Friedensnobelpreisträger unter jungen Leuten bekannter zu machen und Unterstützung für das renovierungsbedürftige Krankenhaus zu mobilisieren. "Schweitzer hat Themen aufgegriffen, die heute noch genauso aktuell sind", sagt Vorstandsmitglied Roland Wolf. "Seine Philosophie von der Ehrfurcht vor dem Leben, sein Kampf gegen Atomrüstung, Massentierhaltung und Tiertransporte gehen uns heute genauso an." Mit rund 200 Benefiz-Orgelkonzerten, Symposien und Ausstellungen macht der Hilfsverein dieses Jahr europaweit auf Schweitzers Erbe aufmerksam.
Mit dem Umzug in den Urwald begann Schweitzer sein zweites Leben. Der damals 38-Jährige hatte seine gute Stelle als evangelischer Theologieprofessor in Straßburg und seine Auftritte als gefeierter Organist aufgegeben, um den Ärmsten zu dienen, wie er sagte. Auf dem Gelände der Pariser Evangelischen Missionsgesellschaft am Ogowefluss ließ er mit eigenem Geld eine Wartehalle, eine Behandlungs- und eine Krankenbaracke bauen und begann, Patienten zu behandeln.
Seinen Dienst verstand Schweitzer auch als Sühne
Während des Ersten Weltkriegs mussten 1917 Schweitzer und seine Frau Helene als Deutsche die französische Kolonie verlassen und nach Europa zurückkehren. Ab 1924 war Schweitzer wieder in Lambarene und ließ die eingefallenen Gebäude reparieren. Die Zahl der hilfesuchenden Kranken wuchs, so dass er 1925 das Spital einige Kilometer weiter neu errichten ließ. Hinzu kamen Plantagen gegen die Hungersnot. Schweitzer erweiterte fortwährend das medizinische Dorf; ein Plan aus dem Jahr 1954 zeigt rund 50 Gebäude.
"Seine Arbeit als Arzt war für ihn eine Konsequenz seiner Philosophie - der Ehrfurcht vor dem Leben", sagt Marlies Böhnert, Leiterin des Deutschen Albert-Schweitzer-Zentrums in Frankfurt am Main. An den Kolonialmächten übte Schweitzer scharfe Kritik. Schon 1920 schrieb er, auf den "Weißen aller Nationen" laste große Schuld - schließlich seien dort, wo die Europäer im Namen Jesu hinkämen, viele Volksgruppen bedroht, viele Menschen gestorben. Seinen Dienst verstand Schweitzer auch als Akt der Sühne.
Der 1875 in Kaysersberg im Oberelsass geborene Urwalddoktor erhob seine Stimme auch gegen Atomwaffenversuche und warnte vor der Gefahr eines Atomkriegs. "Nur das Denken, in dem die Gesinnung der Ehrfurcht vor dem Leben zur Macht kommt, ist fähig, die Zeit des Friedens in unserer Welt anbrechen zu lassen", schrieb er. 1953 erhielt er rückwirkend für 1952 den Friedensnobelpreis. Das Preisgeld investierte er in Lambarene.
Die gesamte Klinik müsste renoviert werden
Schweitzer starb 1965 im Alter von 90 Jahren in Lambarene. Das Krankenhaus wurde unter der Leitung seiner Tochter Rhena weiter vergrößert, bis Geldmangel 1975 fast die Schließung erzwang. Daraufhin ließ der Staat Gabun zwischen 1977 und 1981 eine neue Poliklinik für 180 Kranke und deren Begleiter am gleichen Standort errichten. Eine Einrichtung zur Erforschung von Tropenkrankheiten wurde gegründet; sie wird seit mehr als 20 Jahren von der Universität Tübingen betrieben.
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Inzwischen gibt es wieder Erneuerungsbedarf am "Hôpital Albert Schweitzer". Der vom Schweitzer-Hilfsverein finanzierte Neubau der Entbindungsstation soll nach den Worten von Roland Wolf, Mitglied des Verwaltungsrates, in diesem Sommer fertiggestellt werden. Eigentlich müsste die gesamte Poliklinik renoviert werden, doch das würde fünf bis zehn Millionen Euro erfordern, sagt Wolf. Der Staat Gabun sei jedoch vor allem an der Forschung interessiert und baue an einem dritten Laborgebäude.
Derzeit arbeiten in Lambarene nach Wolfs Angaben zehn Ärzte und weitere 260 Mitarbeiter. Im Jahr 2011 machten sie rund 35.000 ambulante Untersuchungen und nahmen 6.000 Patienten aus allen Landesteilen stationär auf. Von dem ursprünglichen Krankenhaus sind kaum noch Überreste vorhanden. Einige Gebäude von Schweitzers "neuem Spital" und sein Wohnhaus sind vor wenigen Jahren als Gedenkstätte hergerichtet worden. Besucher können dort - komfortabler als einst der Urwaldarzt - in klimatisierten Räumen übernachten.