Anders sei eine ehrliche sozialpolitische Bestandsaufnahme, die auch vor unbequemen Schlussfolgerungen nicht zurückschreckt, nicht möglich, sagte Maria Loheide, sozialpolitischer Vorstand des evangelischen Wohlfahrtsverbandes, am Montag in Berlin und übte zugleich deutliche Kritik am aktuellen Entwurf des Berichts: "Ein Erfolgsbericht der Bundesregierung hilft uns nicht weiter."
Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht soll nach monatelangem Streit am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedet werden. Auslöser der Debatte waren Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), im ursprünglichen Entwurf Passagen zu bearbeiten oder zu streichen. Rösler sperrt sich gegen Formulierungen, die auf die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung hinweisen und somit Steuererhöhungen rechtfertigen könnten.
"Eindruck der Vernebelungsabsicht"
Dass kritische Analysen gestrichen und die Veröffentlichung immer wieder verzögert worden seien, bestärke den Eindruck der Vernebelungsabsicht, kritisierte Loheide. "Es muss um die nachhaltige Bekämpfung von Armut und die Verhinderung sozialer Schieflagen in der Bundesrepublik gehen", forderte sie. Der Abbau von Arbeitslosigkeit könne nicht mit erfolgreicher Armutsbekämpfung gleichgesetzt werden, wenn immer mehr Menschen trotz Vollzeitjob von ihrem Lohn allein nicht leben könnten. Maßnahmen zur Überwindung von Kinder- und Jugendarmut greife der Bericht völlig unzureichend auf.
Dem Armutsbericht zufolge hat sich das Privatvermögen der Deutschen in den vergangenen 20 Jahren auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt und weiter konzentriert. Demnach verfügen zehn Prozent der Bevölkerung über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Dagegen kommen 50 Prozent der Bürger nur auf einen Anteil von einem Prozent. Diese Zahlen hatten die Debatte um eine stärkere steuerliche Belastung von Reichen wieder entfacht.