"Die Form der Moderne, das ist nun einmal die pluralistische Demokratie. Da darf sich die Kirche nicht wie eine absolutistische Monarchie verhalten", sagte der katholische Politiker der Tageszeitung "Die Welt". In der Kirche habe sich ein "kruder Zentralismus" breitgemacht, mit dem man "in einer pluralen Welt nicht bestehen" könne.
Der Rücktritt Benedikts habe etwas "Tragisches", sagte Kretschmann, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört. "Der Apparat hat wirklich ein Eigenleben geführt. Und man hat das an sehr wichtigen Dingen gemerkt wie etwa dem Missbrauchsskandal. Benedikt war da sehr mutig - zugleich aber von seiner eigenen Behörde eingemauert." Benedikt XVI. sei im Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche von der Kurie "alleine gelassen" worden.
Der Grünen-Politiker betonte, dass der Rücktritt Benedikts das Amt des Papstes nicht beschädigt habe: "Ich glaube, das war paradoxerweise vielleicht das Wichtigste, was er in seiner Amtszeit gemacht hat." Benedikt habe dem Amt so eine "neue, eine menschlichere Note gegeben. Und ich glaube, dass das auch theologisch große Auswirkungen haben wird, etwa im ökumenischen Dialog."
Mit Blick auf den künftigen Papst sagte Kretschmann: "Was das kommende Pontifikat angeht, wäre mir der ökumenische Impuls am wichtigsten. Dieser Impuls muss in einer globalisierten Welt, die multireligiös ist, stärker werden."
Kretschmann würdigte zugleich Benedikt als großen Theologen: "Ich glaube, dass der Papst theologisch nicht genug gewürdigt wurde. Die Theologie war seine starke Seite. Er hat das Problem des Glaubens in der Moderne konsequent thematisiert, immer mit dem Ziel, Glaube und Vernunft wieder ins rechte Verhältnis zu setzen." wahrgenommen hat."