Der Erfolg ist messbar: In 23 Doktorarbeiten weist VroniPlag inzwischen viele mutmaßliche Plagiate nach. Acht Autoren wurde die Doktorwürde inzwischen aberkannt, zweien allein vergangene Woche. So muss auch die Politikberaterin Professor Doktor Margarita Mathiopoulos auf ihren an der Universität Bonn erworbenen Doktortitel wohl verzichten. Eine beachtliche Bilanz für das vor rund einem Jahr gegründete Wiki, das sich der Plagiatsdokumentation widmet.
Motivation: wissenschaftliche Integrität
Ein harter Kern von rund zehn Personen beschäftigt sich regelmäßig mit verdächtigen Hochschulschriften, darunter die Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff . Sie ist Professorin an der HTW Berlin und beschäftigt sich auch beruflich mit allerlei Fragen wissenschaftlicher Integrität. Der Fall Mathiopoulos ist nach dem Entzug der Doktorwürde der FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin der bislang interessanteste. Denn die Arbeit der Politikberaterin ist bereits seit 1989 umstritten. Damals bedauerte Mathiopoulos "Flüchtigkeitsfehler" und ihr renommierter Doktorvater an der Universität Bonn sah den "Kern der geistigen Leistung nicht beeinträchtigt".
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Nachdem auf Vroniplag zahlreiche weitere Fundstellen dokumentiert worden waren, erkannte die Hochschule allerdings eine "neue Sachlage" und entzog ihr den Titel. Mathiopoulos wäre auch die erste, damit ihren Professorentitel verlieren würde. Denn die Technische Universität Braunschweig plant ihre Honorarprofessuren zu widerrufen, falls der Titel rechtskräftig verloren ginge. Bis dahin könnte noch etwas Zeit verstreichen, da sie vor dem Verwaltungsgericht die Entscheidung anfechten will. Diese sei "rechtswidrig, weil sie sich gegen die nichtaufhebbare Entscheidung des eigenen Fakultätsrats vom 30. Januar 1991" wende.
Sehr strenge Prüfer am Werk
Weitere Professoren stehen bereits auf der Untersuchungsliste von Vroniplag: Die Arbeiten eines Informatikprofessors und eines renommierten Juraprofessor gelten derzeit als verdächtig. Insbesondere an der Untersuchung der Arbeit des Juraprofessors zeigt sich aber auch, wie überaus streng die Vroniplag-Prüfer vorgehen: Bei der Schilderung eines juristischen Falles markierten sie Textteile, die Fakten wiedergaben - wie etwa die Information, dass es sich um "König Ibn Saud von Saudi-Arabien" handele, der "fünf Söhne" habe. Die Aktivisten monierten, der Autor habe aus einer Quelle einen Text übernommen und "stilistisch eingeebnet".
Vielleicht hat Mathiopoulos Erfolg, und mit ihr auch Silvana Koch-Mehrin, die sich ebenfalls vor Gericht wehrt. Immerhin scheiterten bereits zwei Verfahren: Bei einer inkriminiertenDissertation des CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg an der FernUniversität Hagen beschloss der Promotionsausschuss einstimmig auf Basis von drei Gutachten, kein förmliches Verfahren zu eröffnen. Die "anonym erhobenen Vorwürfe" lieferten "keinen ausreichenden Anlass".
Eine öffentliche Begründung gibt es nicht. Sensburg selbst befasst sich jedoch auf seiner Website mit einigen Vorwürfen, die er zurückweist. Vergangene Woche beschloss die Mainzer Universität eine Oberärztin zu entlasten. Zwar wurde die Zitierweise als wissenschaftliches Fehlverhalten angemahnt, doch den Doktortitel durfte auch sie behalten.
Für Plagiatsprüfungen gibt's Feindschaft statt Anerkennung
Tatsächlich, das gibt Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff zu, legt Vroniplag an die Arbeiten sehr strenge Maßstäbe an. Bei den bislang vermuteten Strukturplagiaten habe es, so erzählt Weber-Wulff freimütig, unter den Vroniplag-Aktiven heftige Diskussionen gegeben. Bei dieser Plagiatsform geht es darum, dass Autoren von anderen Autoren ganze Gedankengänge übernehmen. Diese ließen sich deshalb auch mit einer Plagiat-Software gar nicht erkennen, und mit Vroniplags Crowdsourcing-Prinzip nur zufällig.
Volker Rieble von der Ludwig-Maiximilians-Universität München meint, speziell diese Form von Plagiat ließe sich nur durch eine beharrliche Beschäftigung mit dem Gegenstand durch Leute aus demselben Fach erkennen. Und genau hier liege das Problem, meint Weber-Wulff: "Es gibt keine Ressourcen an den Universitäten, die Fälle zu bearbeiten."
Eine Schätzung, wie viele Dissertationen, Habilitationen und sonstigen wissenschaftlichen Arbeiten Plagiate enthalten, lässt sich laut Rieble nicht seriös anstellen. Er meint: "Man bräuchte ein Hellfeld. Das heißt, man müsste die Publikationen in einem Fach in einem bestimmten Zeitraum auf Plagiate untersuchen." Doch das Problem dabei sei, so Rieble: "Selbst wenn sie einen Finanzier finden, fänden sie keinen, der es macht". Für diese Sisyphus-Arbeit gäbe es nämlich keine wissenschaftliche Anerkennung, aber dafür viele Feinde.
Den Universitäten mangelt es an Engagement und Ressourcen
Für die Plagiatsforscherin Weber-Wulff steht bei ihrer Arbeit jedoch die wissenschaftliche Integrität an oberster Stelle. Zwar sind die Plagiatsanzeigen im vergangenen Jahr an verschiedenen Universitäten gestiegen, wie Weber-Wulff aus persönlichen Erfahrungen weiß. Doch am mangelnden Engagement der Universitäten, die Missstände auch aufzudecken, habe sich nicht viel geändert.
Der Grund für Weber-Wulff ist offensichtlich: Das interne Kontrollwesen ist schlicht zu gering ausgestattet. Vielleicht wäre man ja schon einen Schritt weiter, wenn man wie in angelsächsischen Ländern Dissertationen von unabhängigen externen Gutachtern prüfen lassen würde. Dann wäre die Kontrolle vielleicht schon bereits bei der Beurteilung besser.