Das unterschiedliche Amtsverständnis und die Rolle des Papstes sind bisher ein wesentliches Hindernis für mehr Ökumene. Bringt der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Bewegung in diese Frage?
Nikolaus Schneider: Der Rücktritt unterstreicht die menschliche Dimension des Papst-Amtes. Benedikt hat seiner Kirche damit einen wichtigen Dienst erwiesen. Gleichwohl bleibt der geistliche Anspruch der römisch-katholischen Kirche, dass der Papst unfehlbar und mit enormer Macht ausgestattet ist. Man kann also jetzt noch nicht von einer Veränderung des Amtes sprechen.
Mit Blick auf die Nachfolge Benedikts erwarten viele ein Ringen zwischen Erneuerung und Tradition. Wie wichtig ist die inhaltliche Ausrichtung des neuen Papstes für die Ökumene in Deutschland?
Schneider: Sie ist sehr wichtig, denn Päpste haben einen großen Gestaltungsspielraum. Wir müssen abwarten, welche Akzente der neue Papst setzt und ob sich dann daraus neue Wege und Perspektiven ergeben. Unabhängig davon sind wir natürlich weiter intensiv im Gespräch mit Kardinal Kurt Koch, der im Vatikan für die ökumenischen Fragen verantwortlich ist.
Ein starker ökumenischer Akzent 2017
Im Papier "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000 werden die evangelischen Kirchen als zweitrangig bewertet. Könnte sich mit einem neuen Pontifex an dieser Haltung etwas ändern, auch mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017?
Schneider: Es gibt nach meiner Einschätzung schon jetzt Bewegung. Immerhin ist Benedikt XVI. - der in "Dominus Iesus" in der Tat schrieb, wir Protestanten seien nicht "Kirche im eigentlichen Sinne" - nach Erfurt gereist. Er hat sozusagen einen Besuch bei Martin Luther abgestattet und sich positiv über ihn geäußert. Das war ein starkes Zeichen.
Entscheidend ist nun mit Blick auf 2017, dass es uns gelingt deutlich zu machen, dass Martin Luther mit seinen 95 Thesen zur Umkehr zu Christus auffordern wollte. Wenn wir dieses Motiv im Blick auf das Reformationsjubiläum ins Zentrum stellen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass es 2017 einen stärkeren ökumenischen Akzent geben wird.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem künftigen Pontifikat?
Schneider: In jedem Fall würde ich mir wünschen, dass der neue Papst auch neue Anstöße für unser ökumenisches Miteinander gibt. Und dass er den Schwung, den das Zweite Vatikanische Konzil vor 50 Jahren brachte, nicht bremst, indem er vorkonziliare Bedenken zementiert. Sondern dass er den ökumenischen Aufbrüchen von damals heute neuen Schwung verleiht.