Ehe für Lesben und Schwule in Frankreich kurz vorm Ziel

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Ehe für Lesben und Schwule in Frankreich kurz vorm Ziel
Lesben und Schwule sollen bald in Frankreich heiraten und Kinder adoptieren dürfen. Das hat heute die Nationalversammlung mit einem Gesetzesentwurf beschlossen. evangelisch.de-Redakteur Markus Bechtold findet: Kirche kann dabei helfen, indem sie Respekt und Verantwortung für alle Menschen in ihrer Mitte vorlebt.
12.02.2013
evangelisch.de

Bisher gibt es in Frankreich wie auch in Deutschland die eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie erlaubt gleichgeschlechtlichen Paaren aber nicht, Kinder zu adoptieren. Heute hat die französische Nationalversammlung die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare und das damit verbundene Adoptionsrecht für Lesben und Schwule beschlossen und damit den Entwurf, der das ermöglichen soll, auf den Weg gebracht. 329 Abgeordnete votierten dafür, 229 Abgeordnete stimmten dagegen. Das neue Gesetz muss im April noch den Senat passieren. Eine Mehrheit durch die Unterstützung anderer Linksparteien scheint sicher. Damit ist ein weiterer Schritt hin zur Gemeinschaftlichkeit getan. Was beispielsweise in den Niederlanden, Belgien, Spanien oder in Norwegen Wirklichkeit ist, schien Frankreich in den vergangenen Wochen und Monaten zu spalten: das aber lediglich oberflächlich betrachtet. Meinungsumfragen zeigten, dass sich anfangs die Mehrheit der Franzosen für die Gleichstellung von Homosexuellen aussprach. Der Streitpunkt ist dabei nicht die Öffnung der Ehe, sondern die Gleichstellung im Adoptionsrecht.

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Zu Hunderttausenden gingen Befürworter wie Gegner in Paris auf die Straße. Gegenwind blies vor allem aus ländlichen Bevölkerungskreisen. Das Vorhaben von Präsident François Hollande und den Sozialisten hatte im Land einen regelrechten Kampf entfacht. Dass von Zeitungen, Fernsehen und Online-Medien transportierte Bild demonstrierender friedliebender Franzosen gegen die "Ehe für alle" war bei näherer Betrachtung ein von konservativen Vertretern leidenschaftlich inszeniertes Massenspektakel. In Busladungen wurden die Gegen-Demonstranten aus ihren Dörfern in die französische Hauptstadt gekarrt, um vermeintliche Stärke zu zeigen.

Dabei richtete sich die Wut eigentlich in erster Linie gar nicht gegen Homosexuelle. Dieser Protest, eine Stellvertreterauseinandersetzung, hätte nämlich auch andere Minderheiten-Bevölkerungsgruppen treffen können. Die Wut der konservativen Demonstranten richtet sich vielmehr gegen den Präsidenten und gegen seine sozialistische Regierung. Die rechtsbürgerliche Opposition hatte mehr als fünftausend Änderungsanträge eingebracht, um das Reformvorhaben zu verhindern. Die Gespräche, Diskussionen und Auseinandersetzungen der vergangenen Tage und Monate waren aber notwendig.

Niemand ändert innerhalb von Tagen seine Sicht

Menschen, die ihr Leben lang eine bestimmte Vorstellung von Familien hatten, ändern nicht innerhalb von Tagen ihre Sicht. Das braucht Zeit. Die Franzosen haben nun die Chance zu erleben, dass die Öffnung der Ehe weder die Kirche noch den Staat moralisch zu Fall bringen wird. Im Gegenteil: Wo Menschen aufrecht so leben wie sie sind, wird Platz geschaffen für ehrliche Verantwortung und für ein bewusstes Miteinander.

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Auch hierzulande in Deutschland bröckelt die Front gegen die Gleichstellung homosexueller Frauen und Männer. Im deutschen Grundgesetz steht: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung." Das ist gut. Nur sollten die Menschen zur Kenntnis nehmen, dass sich mit dem Wandel der vergangenen Jahrzehnte auch die Lebenswirklichkeiten der Menschen verändert haben, auch in ihrer Vorstellung, was Familie ist.

Wo Menschen sind, hat es schon immer auch Lesben und Schwule gegeben. Wie frei und verantwortungsvoll sie in der Gemeinschaft leben, hängt auch davon ab, wie das Wertesystem der jeweiligen Gesellschaft sie beurteilt. Wissenschaftler haben herausgefunden: Kinder in Regenbogenfamilien haben gute Voraussetzungen, da sie Wunschkinder sind und Aufmerksamkeit und Liebe von beiden Elternteile erwarten können. Der einzige Unterschied ist, dass die jeweilige Gesellschaft nicht immer gelernt hat, mit Homosexuellen umzugehen. Dabei kann Kirche helfen, indem sie Respekt und Verantwortung für alle Menschen in ihrer Mitte vorlebt.