Wir sitzen im neuen Haus, und es ist dunkel. Naja, nicht ganz dunkel. In der frisch gestrichenen Küchendecke funzeln ein paar Halogenlämpchen Marke "Praxisbeleuchtung" vor sich hin, einen wackligen Deckenfluter haben die Vorbesitzer zurückgelassen. Schnell noch ein paar Glühbirnen eingeschraubt – geht erstmal. Morgen bringen wir den blutroten Kronleuchter an, den wir vor drei Jahren witzig gefunden haben, und dann … und dann…
Nichts dann. Das Provisorium schleppt sich. Wir sind jetzt ein Jahr im Haus, wir haben uns eingerichtet, Bücher verstaut, Küche und Bäder ordnungsgemäß in Betrieb genommen. Aber es hängen immer noch lose Leitungen von der Decke. Die Lampe über dem Esstisch sieht aus, als hätten Aliens sie abgeworfen, irgendwie sputnikhaft – das war ein Panikkauf, den ich nach zwei Stunden intensiver Meditation bei IKEA getätigt hatte. Überall gibt es Lichtschalter, deren Funktion sich uns noch nicht erschlossen hat. Und wir kriegen nicht raus, wo die Zeitschaltuhr steckt, die die Flurbeleuchtung steuert – deshalb geht die alle drei Minuten aus.
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Ich könnte jetzt behaupten, wir hätten unser "Lichtkonzept" noch nicht gefunden. Ich könnte sagen, dass unser Renovierungsetat nicht gereicht hat. Aber was ich eigentlich sagen will, ist: Die Beleuchtung macht an und für sich und überhaupt die größten Probleme beim Wohnen. Dabei ist sie natürlich, wenn man den einschlägigen Magazinen und Webseiten glaubt, das Wichtigste. "Licht kann man planen", heißt es bei "Schöner Wohnen", "hier sollten Sie nichts dem Zufall überlassen". "Living at Home" meint: "Mit der passenden Beleuchtung lässt sich schnell ein gemütliches Wohnambiente schaffen. Verschiedene Lichtformen spielen bei der Wahl der Beleuchtung eine wichtige Rolle". Tolle Sachen gibt es da. Indirektes Licht, das sich aus Gletscherspalten in den Wänden stimmungsvoll über pastellfarbene Sitzlandschaften ergießt. Ausgefeilte Deckenkonstruktionen, an denen wie von fernher raffinierte Lämpchen glitzern, gigantische Leuchten im schwedischen Industrial Style, Stehlampen, mit denen man das Kolosseum ausleuchten könnte, exotische Werkstoffe wie Beton oder Häkelläppchen (ja, echt jetzt, ist im Kommen). Bloß: Nichts davon passt in unser Haus mit dem Vordertrakt von 1910, dem Wintergarten aus den Neunzigern und der Wohnküche, die nur 2,20 hoch ist, und in der wir praktisch alles machen: Kochen, Essen, Spielen, Lesen.
Möchten Sie in einem Operationssaal wohnen?
Verschärfend kommt hinzu: Selbst wenn wir überall coole Lampen hätten, wüsste ich nicht, was ich da reinschrauben sollte. Pünktlich zum Abschied der Glühbirne im letzten September habe ich diesen Dokumentarfilm gesehen, "Bulb Fiction", in dem gezeigt wird, was es mit dem Quecksilber in den Energiesparlampen auf sich hat, wie die entsorgt werden oder auch nicht, und wer das alles zusammenschrauben muss. Ich hatte keine halbe Stunde geguckt, da verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, zum Schutz meiner Familie, besonders meines minderjährigen Sohns, alle, aber auch alle Energiesparlampen aus diesem unserem Heim zu entfernen, und zwar auf der Stelle. Die Dinger warten jetzt in einer gepolsterten Schachtel darauf, zum Wertstoffhof gebracht zu werden. Und bei uns ist eine Leuchtmittelkrise ausgebrochen. Ich habe Alternativen recherchiert, beim BUND, bei "Waschbär" und im Baumarkt. Ich habe es mit Hundert-Watt-Handwerker-Birnen versucht, mit LED und Halogen. Leider habe ich bis heute nicht kapiert, welches moderne, umweltschonende Format einer guten alten 60-Watt-Birne entspricht. Immer, wenn ich was kaufe, macht es vooom! - gleißende Helligkeit bricht aus. Wer will schon in einem Operationssaal wohnen? Außerdem ist das alles teuer. Ich hab mal gezählt: Es gibt 28 Lichtquellen bei uns, die Praxisfunzeln nicht gerechnet…
Alle paar Wochen fällt irgendwo im Haus eine Lampe aus. Ich ersetze die Birnen nicht mehr. Wir haben unser Lichtkonzept gefunden: Improvisation. Hier eine Kerze, da eine Lichterkette, fest tackern, einstöpseln, fertig. Für den Keller gibt es eine Taschenlampe. Und ich habe mir überlegt: Das elektrische Licht wurde vor nicht mal 200 Jahren erfunden. Vorher sind die Leute einfach ins Bett gegangen, wenn es zu dunkel wurde zum Lesen, Töpfern oder Fische entgräten. Bestimmt ist das sehr erholsam. Und irgendwie mehr im Einklang mit dem Rhythmus der Natur. Rufen Sie uns bitte nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr an.