USA: Die Waffen bleiben - die Amokläufe auch

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
USA: Die Waffen bleiben - die Amokläufe auch
Die US-amerikanische Debatte um Waffen und das Recht, Waffen zu tragen, bietet dieser Tage ein bizarres Schauspiel. Die Amerikaner kaufen ihre Waffenläden leer, weil sie schärfere Gesetze befürchten. Die werden auch kommen – aber sie werden Amokläufe nicht verhindern. Denn die Waffenbesitzer in den USA hängen an ihren Schießprügeln. Abgeben werden sie sie nicht.
16.01.2013
evangelisch.de

Schaut man sich in amerikanischen Waffenforen um, stößt man auf die absolute Selbstverständlichkeit, dass halbautomatische Gewehre legal sein sollten, und jeder, der etwas anderes fordert, ist ein unamerikanischer Kommunist. Die Menschen dort sind fest überzeugt, dass sie sich mit Waffen gegen Kriminelle schützen müssen, viele glauben außerdem, dass nur die große Zahl an Waffen in privater Hand die Regierung Obama daran hindert, das Volk zu unterjochen. Manche bereiten sich auf den Zusammenbruch der Gesellschaft und der Gesetze vor, den sie in zwei bis 20 Jahren heranbrausen sehen. Außerdem könne nur ein "Guter" mit einer Waffe einen "Bösen" mit einer Waffe aufhalten, sagen sie. Und die Polizei komme sowieso immer zu spät.

Autor:in
Keine Autoren gefunden

Die Befürworter härterer Waffenregulierung argumentieren dagegen mit dem gesunden Menschenverstand, dass Waffen nur dazu gebaut sind, Menschen zu töten, und niemand außer Polizei und Militär ein halbautomatisches Gewehr mit 30 Schuss pro Magazin brauche – Jäger nicht, Sportschützen nicht und normale Bürger erst recht nicht. Und die Regierung sei auch nicht kurz davor, alle Amerikaner zu entwaffnen und die USA gewaltsam in eine kommunistische Diktatur zu verwandeln.

Autofahren ist stärker reguliert als Waffenbesitz

Ein Kompromiss ist nicht in Sicht: Die einen sagen, normale Bürger bräuchten keine Waffen. Die anderen meinen, normale Bürger bräuchten aber doch Waffen und haben ohnehin das Recht dazu. Und eine Registrierung oder gar einen Waffenschein dürfe es auch nicht geben – in den USA muss man in den meisten Staaten anders als in Deutschland keine Sachkundeprüfung absolvieren, um eine Waffe zu besitzen. Da kann man sich beinahe wundern, dass in den USA Führerscheine zum Autofahren nötig sind. Aber das Recht auf Autofahren ist ja auch nicht in der Verfassung festgeschrieben.

###mehr-artikel###

Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Newtown will Präsident Obama nun zumindest halbautomatische Gewehre mit 30 oder mehr Schuss pro Magazin stärker regulieren, notfalls auch per Erlass statt per Gesetz. Den nächsten Amoklauf mit einer Schusswaffe wird das aber nicht verhindern können - der mit sehr vielen Ausnahmen versehene "Assault Weapons Ban" der Clinton-Ära konnte es auch nicht. Denn es gibt konservativen Schätzungen zufolge jetzt schon etwa 270 Millionen Schusswaffen in amerikanischen Haushalten – Gewehre, Pistolen, Revolver. Im Schnitt sind das 89 Waffen auf 100 Einwohner. 60 Prozent der Morde in den USA geschehen mit Schusswaffen - Platz 1 unter den westlichen Industrienationen. Und so lange sie noch können, kaufen viele Amerikaner weiter Waffen ein.

Die Waffen bleiben - die Amokläufe auch

Egal, ob ein Teil davon, nämlich halbautomatische Gewehre, als illegal erklärt wird und nicht mehr verkauft werden darf: Die Waffen, die jetzt schon in Safes oder Nachtschränken liegen, werden nicht verschwinden. Sollte die US-Regierung gar versuchen, sie einzuziehen, sehen sich die Besitzer in ihren Verschwörungstheorien bestätigt und drohen bereits mit bewaffnetem Widerstand.

Pistolen und Schrotflinten stehen übrigens nicht in der Diskussion, obwohl sie bei einem Amoklauf nicht minder tödlich sind als ein halbautomatisches Gewehr. In der aktuellen Debatte wird deutlich, dass der Waffenbesitz nicht grundsätzlich infrage gestellt wird - es geht nur um Regulierung, wie es sie in anderen westlichen Ländern schon längst gibt.

Viel wichtiger wird die gesellschaftliche Anstrengung sein, potentielle Täter zu identifizieren und besser mit ihnen umzugehen. Aber dennoch wird der einfache Zugang zu Waffen in den USA auch in den kommenden Jahren weitere tragische Amokläufe mit vielen Opfern ermöglichen. Damit es anders kommt, müsste sich die Selbstverständlichkeit von Waffenbesitz im Land der unbegrenzten Möglichkeiten grundlegend wandeln. Und danach sieht es derzeit trotz der Tragödie von Newtown nicht aus.