Wenn sich nicht bald etwas ändere, wachse das Risiko, pflegebedürftige Menschen "einer ungewissen, oft unhaltbaren Lebenssituation auszusetzen", sagte der frühere Vorsitzende des Beirats zum Pflegebedürftigkeitsbegriff dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Pflege werde zudem zum Armutsrisiko, weil die Zahl der Rentner ohne ausreichende Altersversorgung steige.
"Kann nicht so weiter gehen"
Zentrale Herausforderungen seien der hohe Bedarf an Pflegekräften und Haushaltshilfen, die Pflege von Demenzkranken, fehlende Infrastruktur in den Kommunen und die klare politische Festlegung, dass die Pflege mehr Geld kosten werde, sagte Gohde. Entscheidend seien die kommenden beiden Jahre: "Danach kann es nahezu aussichtslos werden. Wir stehen an einem Wendepunkt. Es geht nicht mehr so weiter."
Gohde verwies auf mehrere, kürzlich veröffentlichte Studien. Eine Barmer-GEK-Studie hat errechnet, dass die Pflegekosten für Frauen im Durchschnitt knapp 85.000 Euro betragen, wovon die Pflegeversicherung nur 39.000 Euro trägt. Für Männer sind es 42.000 Euro, die Hälfte davon zahlen sie selbst. Eine neue Bertelsmann-Studie warnt vor dem Pflegenotstand: 2030 blieben eine halbe Million Stellen in der Pflege unbesetzt, wenn sich nichts ändere. Im gleichen Zeitraum werde die Zahl der Pflegebedürftigen von rund 2,4 Millionen um die Hälfte zunehmen. Das Allensbach-Institut hatte Anfang Dezember auf die enorme Belastung von Frauen durch die Pflege aufmerksam gemacht.
"Road Map" für die Pflege
Gohde forderte für die Pflege in Deutschland eine "Road Map" mit einem Ziel und Zwischenetappen, auf die sich Politik und Akteure verständigen müssten. Es sei kaum zu erklären, "warum ein Ruck durch das Land geht, wenn Banken zu retten sind, aber praktisch nichts geschieht, wenn es um diese Herausforderungen geht."
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat eine Pflegereform verabschiedet, die im Januar in Kraft tritt. Sie bringt 120 Euro im Monat für Demenzkranke und eine Erhöhung der Leistungen für Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Dafür steigt der Beitrag geringfügig. Es bleibt aber dabei, dass die Pflegeversicherung nur für körperliche Einschränkungen in Anspruch genommen werden kann. Schritte zu einer grundlegenderen Reform wurden verschoben. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat aber einen Beirat eingesetzt, der dazu Vorschläge machen soll.