Es begab sich aber zu der Zeit in Südafrika, dass sich drei deutsche Touristen mit dem Auto in einem Township verfuhren. Auf der Straße sahen sie einen schwarzen Mann mit einem Messer in der Hand vor einem Haus, in dem ein Neugeborenes schrie. Die Touristen im Auto schrien auch. Vor Schreck warfen sie alle Wertgegenstände aus dem Fenster, wie sie es im Touristenführer gelesen hatten, und fuhren davon.
Der Illustrator Helmut Steinbach hat den Wettbewerb gewonnen. Foto: Ralf Niemzig
Der Mann vor dem Haus kratzte sich verwundert am Kopf und brachte die Geschenke ins Haus zu dem Baby, dem es gerade die Nabelschnur durchtrennt hatte. Die Eltern bedankten sich. "Nichts ist so, wie es scheint", sagt Kommunikationsdesigner Bernd Oldörp und zeigt auf seine gemalten Bilder aus Tinte, die im Foyer der Hauptkirche St. Jacobi in der Hamburger Innenstadt hängen. "Man muss zwei Mal hinschauen."
Das haben insgesamt 39 Illustratorinnen, Grafiker und Designerinnen bei einem Wettbewerb der evangelisch-lutherischen Kirche in Hamburg getan. Sie erzählen die Weihnachtsgeschichte neu – als Comic. Die jungfräuliche Empfängnis, die Volkszählung mit der Wanderschaft der künftigen Eltern, die Geburt Jesu in einem Stall, die drei Könige; das sind Elemente einer Geschichte, die ihre Wurzeln im Lukas- und Matthäus-Evangelium hat und weltweit bekannt ist.
Weihnachtsgeschichte spielt im Rotlichtviertel von St. Pauli
Nun spielten Künstler damit und setzten alles neu zusammen. So verlegte der Kommunikations-Designer Ulrich Pforr die Weihnachtsgeschichte in die heutige Zeit – ins Rotlichtviertel von St. Pauli, mit einem Kapitän und einer Prostituierten als Partygäste.
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Der Illustrator und Maler Martin Graf nahm hingegen den Klassiker unter den Anfangssätzen aus dem Lukas-Evangelium der Luther-Bibel – "Es begab sich aber zu der Zeit" – und machte daraus ein Anagramm: Aus den Worten baute er neue Sätze mit den gleichen Buchstaben und erzeugte dazu schwarz-weiße Illustrationen. "Diese Komponenten zusammen zu fügen war ein Abenteuer", sagt er.
Der Weg dahin hat gut 2000 Jahre lang gedauert: Zum ersten Mal hat die Evangelische Kirche einen solchen Wettbewerb ausgerufen. Die Idee dazu hatte Mechthild Klein, Redakteurin des Internet-Portals der evangelisch-lutherischen Kirche in Hamburg. "Wir wollten Bilder der Weihnachtsgeschichte für das 21. Jahrhundert möglich machen", sagt sie.
Gewinner-Comic zeigt Gottvater Plätzchen backen in der Küche
Den ersten Preis – und damit 2.500 Euro Prämie – erhielt Helmut Steinbach. Der Illustrator lässt Gott beim Plätzchen backen in einer rot karierten Schürze darüber sinnieren, wie er den Menschen Frieden bringen und die Geburt seines Sohnes auf Erden in Szene setzen kann.
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"Ich habe noch nie so viel in der Bibel gelesen wie in der einmonatigen Arbeit zum Comic", sagt der 39-Jährige Schöpfer des knetenden Schöpfers. Jurorin Jutta Bauer, selbst Illustratorin, lobt den Strich des Preisträgers und wie fein er mit Nähe und Distanz arbeitet: "Steinbach schafft es, groß zu werden – zu Gott zu gehen, und ihn ganz nah ran zu holen – in seiner Backstube."
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In der jüdischen Tradition wäre das nicht möglich. Dort gibt es ein Bilderverbot, bei dem es darum geht, Gott nicht an ein bestimmtes Bild zu binden. "Das Christentum macht das auch nicht, doch in unserer Tradition geht es darum, sich Gott mit Worten und Bildern immer wieder anzunähern", sagt Proppst Karl-Heinrich Melzer vom evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein.
Kirche als Auftraggeberin für gesellschaftskritische Kunst
In dieser Tradition war Kirche oft Auftraggeberin für Kunst. Für Isabel Kreitz, die als eine der besten Comiczeichnerinnen Deutschlands gilt und in der fünfköpfigen Jury saß, ist der Wettbewerb eine logische Fortsetzung davon. "Die Kirche erzählt oft Bilder-Geschichten, zum Beispiel auf Altären", sagt sie. "Damit ist sie dem Comic näher als es die freie Kunst ist."
In den kirchlichen und weltlichen Bildern werden Geschichten erzählt, die das Leben schrieb – auch bei Kathrin Klingner. Sie erhielt den mit 1000 Euro dotierten Sonderpreis für Studierende. In ihrem Comic lässt sie eine Truppe von Hilfsarbeitern ganze Wagenladungen von Weihnachtsdekoration in Supermärkten und Firmenfoyers anbringen. "Ich habe selbst in vielen Wintern so einen Job als Hilfsarbeiterin gemacht", sagt die 33-Jährige. "An Weihnachten konnte ich die Deko nicht mehr sehen."
Ob Konsumterror oder Vorurteile, die Comiczeichner geben der Weihnachtsgeschichte neue Wendungen, die oft gesellschaftskritisch sind und meist an die Essenz des Festes erinnern: Liebe, die in die Welt kommt. Wie sie aussieht, welche Formen sie annimmt, das ändert sich immer wieder. Bernd Oldörp, der für seine Südafrika-Version mit dem 2. Preis geehrt wurde, sieht durch seine Arbeit mit der Bibel eine Botschaft, die in der Weihnachtsgeschichte steckt: "Die Geburt an sich ist das Wunder". Dieses Wunder kann jeden Tag geschehen.