Im Kirchenschiff blättert der Putz von den Wänden, der Regen bahnt sich seinen Weg durch die Löcher im Dach, die Heizung fällt regelmäßig aus. Die Kirkheaton Pfarrkirche bei Huddersfield im englischen West Yorkshire hat schon deutlich bessere Zeiten erlebt. Seit acht Jahren versucht Pfarrer Richard Steel genug Geld aufzutreiben, um seine Kirche zu renovieren. Nun wird es akut. Mindestens 73.000 Pfund (mehr als 90.000 Euro) braucht er, um die notwendigsten Reparaturen bezahlen zu können. Doch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten fallen die Spenden seiner Gemeindemitglieder mager aus, allein mit dem Klingelbeutel kann der Pfarrer die nötige Summe nicht erreichen.
10 Pfund bar auf die Hand - nach dem Gottesdienst
Doch dann hat Richard Steel eine Idee. Um Geld in die klammen Kirchenkassen zu spülen, will er seine Gemeindemitglieder auffordern, Geschäftsideen zu entwickeln, die Geld einbringen. Damit die Projekte angeschoben werden können, investiert er selbst – und zwar in jeden Kirchgänger. Also drückt er am Sonntag nach dem Gottesdienst jedem Gläubigen zehn Pfund in die Hand. Mit diesem Grundstock sollen Geschäfte gestartet werden, deren Profite dann wieder an Steel zurückfließen. Die Gemeinde ist sofort begeistert. „Die Menschen sind es nicht gewöhnt, dass die Kirche auch Geld verschenkt und nicht nur einnimmt“, sagt Steel. Insgesamt 500 Pfund hat er bereits ausgegeben.
###mehr-artikel###Der Pfarrer beruft sich bei seiner Aktion auf das „Gleichnis von den anvertrauten Geldern“ im Matthäus-Evangelium (Mt 25, 14 – 30). Dort vertraut ein reicher Mann seinen drei Knechten ein Vermögen an. Dem einen gibt er fünf Zentner Silber, dem zweiten zwei, dem Dritten einen Zentner. Als der reiche Herr zurückkehrt, haben es zwei Knechte geschafft, das Geld, das ihnen anvertraut wurde, zu verdoppeln. Der, der nur einen Zentner bekam, vergräbt das Silber und gibt seinem Herrn die gleiche Summe wieder zurück. Der reiche Mann lobt die Kreativität der Geschäftstüchtigen, der Risikoscheue wird bestraft.
Wie im Gleichnis fordert auch Pfarrer Steel im Gegenzug für seine Investitionen eine kreative Geschäftsidee. Doch bestraft wird keiner, versichert er und lacht. Vielmehr will er seinen Gemeindemitgliedern die Chance geben, ihrer Kirche zu helfen – auch wenn sie selbst kein oder nur wenig Geld haben. „Ich biete ihnen ein Grundkapital an, um zu investieren“, sagt er. Wie sie das Geld vermehren oder wie viel Profit sie machen, sei nicht wichtig. Jeder Penny zähle.
Kuchen backen, Kissen nähen oder Geld anlegen
Die Ideen sind vielfältig, manche naheliegend, einige abwegig. Die Rentnerin Margret etwa hat ihre zehn Pfund in Mehl, Eier, Zucker und Schokolade investiert. Für verschiedene Kirchenveranstaltungen backt sie Kuchen und verkauft sie an die Besucher. Ihre Nachbarin Emma hat sich Nähgarn und Wolle besorgt, sie will Kissen nähen und Socken stricken und auf dem Weihnachtsmarkt unter die Leute bringen. Ein anderes Gemeindemitglied ist Wanderführer und bietet Abenteuertouren durch die Wälder an. Mit seinen zehn Pfund begleicht er die Spritkosten für sein Auto, das seine Gäste an den Ausgangspunkt der Touren bringt. Ein anderer Kirchgänger hat seinen Anteil an der Börse angelegt und hofft nun auf hohe Gewinne.
Und was passiert, wenn die Menschen das Geld lieber für einen guten Wein ausgeben, anstatt sich eine Geschäftsidee zu überlegen, die Geld einbringt? „Damit muss ich natürlich rechnen“, sagt Pfarrer Steel. „Aber ich vertraue meinen Gemeindemitgliedern.“ Er hat weder die Namen der Menschen notiert, die Geld bekommen haben, noch verlangt er Rechenschaft darüber, was mit seinem Geld passiert.
Kassensturz erst zu Ostern
Für Steel ist es schwer abzuschätzen, wie viel Geld seine Aktion erwirtschaften wird. Der Kuchenverkauf hat bisher 30 Pfund eingebracht, eine Hundesitterin hat ihren Anteil in Fahrtkosten und Hundefutter investiert und mit ihrer Dienstleistung den Einsatz verzehnfacht. 100 Pfund gingen bereits an Steel zurück. Erst an Ostern will der Pfarrer einen Kassensturz machen, bis dahin haben die Gemeindemitglieder Zeit, aus zehn Pfund ein Vermögen zu machen. Die besten Geschäftsideen will er sammeln, weiterverfolgen und an andere Gemeinden weitergeben. Kirkheaton sei schließlich nicht die einzige Kirche, die Geld brauche, sagt Steel.
Bereits jetzt erreichen den Pfarrer aus ganz Großbritannien Glückwünsche zu seiner besonderen Spendenidee. Menschen, die in Kirkheaton getauft wurden, Mitglied im Kirchenchor waren oder längst weggezogen sind, melden sich zurück. Vielen Nachrichten liegt ein Scheck bei, den Steel an geschäftstüchtige Gemeindemitglieder weitergeben soll. „Die Summe ist nicht entscheidend“, sagt er. „Aber ich habe bereits jetzt mehr Menschen für die Kirche begeistern können, als ich mir je erträumt hatte.“
Steel hat nun große Pläne. Er will nicht nur die Kirche renovieren, sondern auch eine Küche und Toiletten einbauen, ein Büro im Eingangsbereich einrichten, die alte komplett Heizung erneuern. Außerdem sollen die Kirchenbänke durch Stühle ersetzt werden. Steel will Konzerte veranstalten, Lesungen oder Vorträge anbieten und vor allem die Kirche zu jeder Jahreszeit benutzbar machen. „Ich will die Kirche auch für Menschen öffnen, die mit ihr sonst nichts zu tun haben“, sagt er. „Dieser Ort soll ein Ort der Begegnung für jedermann werden.“