Altmaier sieht "kleine Chance" auf Weltklimagipfel

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Die "Bewahrung der Schöpfung" - für Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ist dieser Grundsatz Richtschnur - nicht nur in der Umweltpolitik.
Altmaier sieht "kleine Chance" auf Weltklimagipfel
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) dringt kurz vor dem Auftakt der UN-Konferenz in Doha auf mehr Anstrengungen beim internationalen Klimaschutz. Das Treffen im Wüstenstaat Katar beginnt am Montag und dauert bis zum 7. Dezember. Es gebe eine "kleine Chance", die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, so Altmaier. Im epd-Interview erklärt der Minister auch, wie die Energiewende für sozial Schwache erträglich gestaltet werden soll und welchen Grundsätzen seine Politik folgt.

Herr Minister, "Bewahrung der Schöpfung" - wo steht dieser biblische Begriff in Ihrem Wertekanon?

Peter Altmaier: Das steht ganz weit oben, weil er nicht nur für die Umweltpolitik, sondern für die Politik insgesamt die Richtschnur ist. Wir haben lange gegen diesen Grundsatz verstoßen. Wir haben viele Jahrzehnte unseren Wohlstand darauf aufgebaut, dass wir die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen in Kauf genommen haben. In Europa haben wir diesen Fehler erkannt und seit den 1970er Jahren viel für Umweltschutz getan. Es gibt aber viele Regionen der Welt, wo die Umweltzerstörung unvermindert weitergeht.

Peter Altmaier ist seit dem Rücktritt von Norbert Röttgen im Mai Bundesumweltminister. Der 54-Jährige Saarländer war zuvor Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er gilt als Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Warum verbinden so viele Menschen mit "Bewahrung der Schöpfung" eher die Grünen als die Christdemokraten?

Altmaier: Ich bin nicht überzeugt, dass das so ist. Die CDU ist immer noch die größte Volkspartei mit rund 40 Prozent Wählerzustimmung in den Umfragen. Solche Zahlen erreichen Sie nicht, wenn Sie nicht auch über Glaubwürdigkeit im Bereich des Umweltschutzes verfügen. Möglicherweise haben wir in der Vergangenheit viel für die Bewahrung der Schöpfung praktisch erreicht, aber wir haben es nicht immer so mit der Überzeugungskraft vorgetragen, dass dies auch alle bemerkt haben. Im Vergleich der Sachargumente können wir auch gegenüber den Grünen umweltpolitische Kompetenz demonstrieren.

Sie fahren in wenigen Tagen erstmals als Minister zu einem Weltklimagipfel. In den vergangenen Jahren haben die Konferenzen kaum messbare Fortschritte gebracht. Der CO2-Ausstoß wächst rasant weiter. Sind UN-Verhandlungen überhaupt das richtige Mittel, um den Kampf gegen den Klimawandel voranzutreiben?

Altmaier: Sie sind sicherlich nicht ausreichend, aber wir können darauf nicht verzichten. Der internationale Klimaschutz leidet immer noch unter den Folgen des gescheiterten Klimagipfels von Kopenhagen 2009. Er leidet auch daran, dass viele Schwellenländer sich bislang keinen verbindlichen Regeln unterworfen haben. Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass der Weltklimagipfel ein Erfolg wird. Neben Verhandlungen müssen wir aber auch verstärkt eine öffentliche Debatte über Klimaschutz führen und damit zusätzlichen Druck erzeugen. Und wir müssen den Nachweis bringen, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum kein Gegensatz sind. Sondern dass man durch ambitionierte Klimaziele auch neue Wachstumspotenziale schöpft.

"Wenn Obama sich künftig mehr zum Klimaschutz bekennt, könnte das die Einstellung der gesamten Politik in den USA zu diesem Thema verändern."

Seit Hurrikan "Sandy" wird in den USA wieder verstärkt über die Erderwärmung diskutiert. Haben Sie Hoffnung, dass die US-Regierung in der zweiten Amtszeit von Präsident Barack Obama mehr für das Klima tut.

Altmaier: Ich hoffe sehr, dass in den USA ein Paradigmenwechsel eintritt. Das könnte uns helfen, in Doha einen Schritt voranzukommen. Gefragt ist die politische Führung von Präsident Obama. Wenn er sich künftig mehr zum Klimaschutz bekennt, könnte das die Einstellung der gesamten Politik in den USA zu diesem Thema verändern.

Sie sagen, dass Doha ein Erfolg werden muss. Welche Minimalziele geben Sie für den Klimagipfel aus?

Altmaier: Klar ist: Wir wollen, dass spätestens im Jahr 2020 ein neues Abkommen in Kraft tritt, das alle Staaten zum Klimaschutz verpflichtet. Da wird langsam die Zeit knapp, deshalb brauchen wir dazu einen Fahrplan. Wir brauchen zweitens eine zweite Verpflichtungsperiode ab 2013 für das Kyoto-Protokoll. Drittens sollten Staaten wie die USA und China, die dem Protokoll nicht beigetreten sind, eine internationale Überprüfung ihrer bereits bestehenden nationalen Klimaschutzmaßnahmen zulassen.

"Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel aufgeben, wäre das ein Bärendienst für den Klimaschutz."

Die internationale Gemeinschaft will die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen. Es gibt allerdings Untersuchungen, wonach dieses Ziel kaum mehr erreichbar ist. Warum verabschiedet man sich ehrlicherweise nicht vom Zwei-Grad-Ziel?

Altmaier: Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel aufgeben, wird der Druck auf die internationalen Klimaverhandlungen reduziert - das wäre ein Bärendienst für den Klimaschutz. Gleichwohl nehmen wir die Warnungen von Fachleuten ernst, dass das Ziel nur schwer zu schaffen ist. Ich bin der Überzeugung, dass wir eine - wenn auch nur kleine - Chance haben, es zu erreichen.

Die EU hat sich bei vergangenen Gipfeln demonstrativ mit armen und besonders bedrohten Staaten verbündet und beansprucht eine Führungsrolle bei den weiteren Verhandlungen. Gleichzeitig schafft sie es nicht, ihr Ziel zur CO2-Reduktion von 20 Prozent auf 30 Prozent bis 2020 zu erhöhen, weil Polen blockiert. Wie glaubwürdig ist die Verhandlungsposition der Europäer?

###mehr-artikel### Altmaier: Die EU ist immer noch weiter als viele andere Länder in der Welt. Wir haben bisher alle unsere Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung eingehalten. An der Frage, wie ehrgeizig unsere Klimaschutzziele sind, arbeiten wir. Am Ende brauchen wir allerdings eine Lösung, die auch unsere polnischen Nachbarn mittragen können. Für mich ist das deutsch-polnische Verhältnis so wichtig wie das deutsch-französische.

China, der weltweit größte CO2-Emittent, hat beim letzten Gipfel in Durban die Bereitschaft signalisiert, sich auf verbindliche Ziele im Rahmen eines neuen Klimaabkommens zu verpflichten. Was erwarten Sie von China bei der Verhandlungsrunde in Doha?

Altmaier: Ich bin mit China in einem sehr engen Austausch über Klimaschutz. Die Chinesen denken darüber nach, ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild einzuführen. Pilotprojekte werden demnächst gestartet. Das macht mich sehr optimistisch, dass der Klimaschutz in China einen größeren Stellenwert haben wird. Das ist auch dringend notwendig, weil das chinesische Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit zu erheblichen Folgen auch für Umwelt und Klima geführt hat.

In Doha wird auch über Finanzierung von Klimahilfen für arme Staaten verhandelt werden. 100 Milliarden Dollar sollen jährlich ab 2020 dafür zur Verfügung stehen. Unter anderem muss der neu gegründete Klimafonds befüllt werden. Wird es in Katar neue Hilfs-Zusagen der Industriestaaten geben?

Altmaier:
Deutschland hat bisher alle seine finanziellen Verpflichtungen erfüllt, schneller als andere. Es ist richtig, dass wichtige Fragen zur Erhöhung der Klimahilfen bis 2020 noch nicht geklärt sind. Da Deutschland und andere Staaten sparen müssen, sollten wir jetzt vor allem über neue Finanzierungsinstrumente reden, um privates Kapital mobilisieren können.

Zusätzliche staatliche Hilfsgelder aus Deutschland wird es nicht geben?

Altmaier: Solche Zusagen werden im Rahmen der EU gemacht. Da müssen wir Lösungen finden, mit denen die einzelnen Mitgliedsstaaten leben können. Soweit sind wir noch nicht. Über Finanzen wird allerdings nicht im EU-Umweltrat, sondern in anderen Ratsformationen entschieden, deshalb ist mein Einfluss hier begrenzt.

"Mittelfristig wird die Energiewende aber dazu führen, dass Strom in Deutschland bezahlbar bleibt."

Deutschland will mit der Energiewende internationales Vorbild sein. Steht nicht zu befürchten, dass Probleme wie die stark steigenden Strompreise andere Staaten abschrecken könnten?

Altmaier: Die Energiewende wird dann für andere Staaten attraktiv sein, wenn wir sie so umsetzen, dass Deutschland seine starke wirtschaftliche Stellung ausbaut. Dazu gehört, dass die Strompreise sich in einem erträglichen Maße bewegen. Ohne Erhöhung werden wir nicht auskommen, jedenfalls in der ersten Periode. Mittelfristig wird die Energiewende aber dazu führen, dass Strom in Deutschland bezahlbar bleibt. Denn ich gehe davon aus, dass die Preise für Importkohle, Öl und Gas künftig erheblich steigen werden.

Also wird Energie kein Luxusgut?

Altmaier: Ich tue alles dafür, damit Energie kein Luxusgut wird. Dabei helfen allerdings keine populistischen Lösungen. Stattdessen müssen wir erreichen, dass die Energiewende effizienter umgesetzt wird als bisher und dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien stärker auf den Ausbau der Netze abgestimmt wird.

Sozial Schwache, denen zehn Prozent höhere Strompreise wehtun, sollen nach Ihrem Willen jetzt Stromsparen lernen. Reicht das aus?

###mehr-links### Altmaier: Nein, aber es ist ein erster wichtiger Schritt. Alle Bürger sollten Strom sparen und wissen, wie das am besten geht. Wir haben inzwischen die Stromsparinitiative gestartet. Dabei hat jeder Bürger unter anderem die Möglichkeit, auf einer Internetplattform das eigene Einsparpotenzial zu ermitteln und sich praktische Tipps zu holen. Wir gehen davon aus, dass diese Seite stark benutzt wird. Wir werden außerdem voraussichtlich im Januar eine "Charta der Energieeffizienz" verabschieden. Darin soll es Selbstverpflichtungen der Netzbetreiber und Stromerzeuger zur finanziellen Unterstützung der Stromsparinitiative geben.  

Was halten Sie von der Idee einer Abwrackprämie für Stromfresser wie alte Kühlschränke?

Altmaier: Diesen Vorschlag mache ich ausdrücklich nicht. Dafür haben wir derzeit nicht die finanziellen Spielräume. Ich glaube eher, dass man sich auf Hilfestellungen für die Verbraucher konzentrieren muss. Für diejenigen, die sich keinen neuen Kühlschrank leisten können, muss es natürlich Unterstützung geben. Das haben wir auf dem Schirm. Die Hilfe für sozial Schwache bei der Energiewende muss über die Unterstützungssysteme geben, die es für Bedürftige schon gibt.