In dieser Situation hätten sich im Osten neue rechtsextremistische Strukturen etablieren und Neonazis "Angst und Schrecken verbreiten" können. Durch die Verharmlosung der Politik sei es damals zum Beispiel möglich geworden, dass Mitglieder der Jungen Gemeinde um den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König "schwer verletzt und auch traumatisiert wurden". In diesem Zusammenhang wandte sich Funke ausdrücklich gegen die Auffassung, Rechtsextremismus sei ein Ost-Problem. Vielmehr hätten sich Neonazis aus dem Westen in der Ex-DDR "die Wirren der Einigung" zunutze gemacht und besonders unter Jugendlichen den Eindruck vermittelt, der Rechtsextremismus habe Antworten auf ihre Orientierungslosigkeit.
Tatsächlich habe die Politik die Neonazis "durch Versagen stark gemacht", stellte Funke fest. Dieses Umfeld habe letztlich auch in Jena das Entstehen der rechtsextremistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) ermöglicht. Als Strategie gegen rechts forderte Funke eine "integrierte Prävention" aus staatlicher Repression, politischer Bekämpfung, gesellschaftlichen Aktionen und professioneller Arbeit mit Ausstiegswilligen. "Die Zivilgesellschaft allein reicht nicht aus", betonte der Wissenschaftler.
Experte: Versagen der Politik hat Neonazis stark gemacht
Experte: Versagen der Politik hat Neonazis stark gemacht
Der Berliner Rechtsextremismusforscher Hajo Funke hat der Politik schwere Versäumnisse im Kampf gegen Neonazis vorgeworfen. In den 90er Jahren hätten weder die Bundesregierung noch die Länder den Rechtsextremisten "eine entscheidende Grenze setzen wollen", sagte Funke am Montag auf einer Fachtagung in Weimar.