Gottesdienst im Township: "Der Glaube ist unser Reichtum"

Foto: Siola-Cinta Panke
Jeden Sonntag lädt die Kirchengemeinde des Townships Reisende zum Gottesdienst ein.
Gottesdienst im Township: "Der Glaube ist unser Reichtum"
Der ehemals verschlafene Fischerort Jeffreys Bay direkt auf der Garden Route ist in den vergangenen Jahren zur Pilgerstätte von Rucksackreisenden und Surfern geworden. Der Grund: Die Suche nach der großen Surfwelle. Dabei hat der 12.000-Seelen-Ort in Südafrika noch etwas ganz anderes zu bieten: Hier findet man den unmessbaren Reichtum, den der Glaube selbst den ärmsten Menschen im Township gibt. Townshipbewohner zeigen Touristen in ihrem Gottesdienst, wie aufrichtig und ungebrochen der Glaube hinter heruntergekommenen und brüchigen Betonmauern sein kann.

Es ist Sonntagmorgen, der Wind steht gut und der Himmel verspricht einen sonnigen Tag. Dennoch stürzt sich an diesem Morgen keiner der Rucksackreisenden mit dem Surfbrett ins Meer. Es ist inzwischen zur Tradition im Ort geworden, dass Touristen den Sonntags-Gottesdienst in einer der nahegelegenen Township-Kirchen besuchen. Was sie dabei tatsächlich erwartet, ahnen nur die Wenigsten.

So haben sich die Touristen die Kirche nicht vorgestellt. Foto: Siola-Cinta Panke

Schon auf dem Weg zur Kirche durch 'Oceanview', eines der zwei Townships in Jeffreys Bay, wird deutlich, in welcher Armut die Menschen hier leben. Kaum ein Haus, bei dem nicht irgendwo statt eines Fensters nur ein fleckiger Vorhang das Loch in der Wand verhüllt. Alte, schief zusammen genagelte Bretter dienen als Gartenzäune. Auf den Rasenflächen grasen abgemagerte Kühe. Und dennoch wirkt dieser Ort nicht trostlos. Viele der einfachen, kleinen Häuser, in denen oft drei Generationen zusammen wohnen, sind in leuchtenden Farben angestrichen.

Die Kinder im Township versammeln sich neugierig am Straßenrand und winken den vorbeilaufenden Touristen. Erwachsene stehen im Türrahmen und schenken ein Lächeln. Und aus allen Ecken strömen lachende Frauen und hektische Männer in Kirchengewändern herbei. Sie alle verschwinden in einer kleinen Hütte hinter einem rosafarbenem Haus mit einem rostigen Briefkasten. Durch das geöffnete Fenster tönen Kirchenlieder auf die Straße. Diese aus Holzbrettern bestehende Hütte mit abgesprungener Farbe und Plastikplanen ist die Kirche.

"Unsere Kirche ist eure Kirche", sagt Pastor Madolwana

Im Inneren angekommen, stehen etwa 30 Gemeindemitglieder im Kreis versammelt und singen ihre Lieder auf Englisch und Afrikaans, einer während der Kolonialzeit entstandenen, an die Niederländische Sprache erinnernde Sprache. Keine Kirchenbank, kein Altar, keine Christusstatue. Einzig ein bemaltes Tuch an der Wand und ein paar Kerzen verleihen dem Raum einen religiösen Anstrich. Zwischen den blauweißen Gewändern spingen die Kinder umher und tröten ausgelassen in ihre Vuvuzelas. Dabei tragen alle Handtücher um den Hals oder in der Hand. Denn der Raum, der nicht größer als 25 Quadratmeter scheint, ist durch die Sonne von außen und die Menschenmenge im Inneren so aufgeheizt, dass auch der an der Wand angebrachte alte Ventilator nicht viel verrichten kann.

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Die Touristen stehen zunächst unsicher am Rand und beobachten das Treiben. Doch das ändert sich schnell. Denn in den Gottestdienst der Zionisten wird jeder einbezogen. Zunächst richtet Pastor Madolwana in der Apostolischen Kirche das Wort an die Touristen. Er ermutigt sie, keine Scheu zu haben, an diesem Ort einfach die Stimme Gottes zu hören und sich fallen zu lassen.

"Wir haben euch zu unserem Gottesdienst eingeladen, damit ihr seht, wie wir unseren Glauben leben", erklärt er, "Unsere Kirche ist eure Kirche. Wir wissen, sie ist nicht prunkvoll, aber sie steckt voller Liebe. Und ihr sollt wissen, dass der Glaube überall Platz findet, auch in dieser Hütte." Der 68-Jährige ist in diesem Township aufgewachsen. Hier als Pastor zu arbeiten, war immer sein Traum. "Wir wissen, dass Religion an anderen Orten mit viel mehr Prunk und Geld gelebt wird. Aber genau die einfachen Umstände in denen wir hier leben, bringen uns näher an den Glauben. Er ist unser Reichtum", sagt er.

Touristen und Township-Bewohner tanzen gemeinsam in der Kirche

Dann stimmt die Gemeinde das nächste Lied an. Alle beginnen mit den Händen im Takt zu klatschen. Die Bewohner bilden einen Kreis um einige andere Gemeindemitglieder und beginnen um sie herum zu tanzen. Jedem in der Kirche rinnt nun der Schweiß von der Stirn. Doch keiner denkt ans Aufhören. Einige sind dabei in sich versunken, ihren Gesichtern sind Leid, Leidenschaft und Hoffnung zugleich abzulesen. Manche Besucher beginnen sich nun in den Kreis einzureihen und mitzutanzen. Für einen Moment wirkt es, als würden die Kulturen zwischen den Menschen im Township und den Reisenden in der Hitze der Kirche verschmelzen.

Kinder im Township. Foto: Siola-Cinta Panke

Die Kinder aus dem Township sind neugierig, mustern während des Gottesdienstes zunächst schüchtern die Besucher. Wenig später posieren sie lachend mit den Sonnenbrillen der Touristen für ein Foto. Am Ende des Gottesdienstes wendet sich der Pastor ein letztes Mal an die Besucher: "Wir wollen, dass ihr dieses Erlebnis mit nach Hause nehmt und den Menschen in eurem Land von uns erzählt. Denn so unterschiedlich unsere Welten auch sein mögen, die Liebe in unseren Herzen ist dieselbe." Auf dem Rückweg begleiten die Kinder die Reisenden, werden nicht müde Fotos mit ihnen zu schießen und diese dann auf den Kameras anzuschauen.

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Dass an diesem Morgen niemand am Strand die perfekte Welle gesucht hat, bereut keiner der Touristen. Vielleicht haben sie bei diesem ungewöhnlichen Gottesdienst mehr über Balance und das aufrechte Stehen im Leben gelernt als zuvor in den Surfstunden.

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