Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) fordert wegen steigender Agrarpreise und Dürren einen sofortigen Verkaufsstopp für den Biosprit E10 an deutschen Tankstellen. Die Beimischungspflicht führe dazu, dass Menschen zu wenig Nahrung haben. "Deshalb sollte man E10 jetzt aussetzen", sagte Niebel am Mittwoch dem Sender n-tv.
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"Gerade bei steigenden Lebensmittelpreisen kann Biosprit zu stärkerem Hunger in der Welt beitragen." Niebel betonte: "Wir müssen im Kabinett darüber nachdenken, ob man nicht den Konflikt zwischen Tank und Teller auflösen kann." Ziel der Forschung sollte es sein, die Feldfrüchte für die Nahrungsgewinnung zu erhalten und die Restprodukte für die Biosprit-Produktion zu nutzen.
Solange man dabei keine brauchbaren Fortschritte habe, müsse man sich vor dem Hintergrund der Dürre und Hungersituation in der Welt erst mal um die Ernährung der Menschen kümmern, sagte der Minister. Den Sprit mit einem zehnprozentigen Ethanolanteil gibt es seit 2011 in Deutschland, er war von Union und FDP selbst auf den Weg gebracht worden. Zuvor hatte es nur E5 mit fünf Prozent Ethanol gegeben.
Bundesumweltministerium: "Kein Kommentar"
Das für den Biosprit zuständige Bundesumweltministerium wolle die Äußerungen Niebels nicht kommentieren, sagte eine Sprecherin. Sie betonte, mit E10 würden entsprechende EU-Vorgaben umgesetzt. Niebels Ministerium teilte auf Anfrage mit, dass mehr als fünf Prozent der globalen Getreideernte zur Biokraftstoffproduktion genutzt würden.
Biokraftstoffe machten derzeit rund drei Prozent des weltweiten Kraftstoffverbrauchs im Transportsektor aus. Dabei habe sich die globale Biodieselproduktion zwischen 2006 und 2010 fast verdreifacht, die Bioethanolproduktion habe sich verdoppelt. Allein 40 Prozent der US-Maisproduktion gingen in den Tank, teilte das Ministerium mit.
Nicht einmal ein Fünftel der Deutschen tankt E10
Die Biospritbranche wies die Ansicht zurück, Pflanzensprit wie E10 verschärfe Hungerkrisen. Der Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Elmar Baumann, sagte, ein E10-Verbot wäre nur Symbolpolitik. "Von der deutschen Getreideernte gingen im vergangenen Jahr etwa vier Prozent in die Bioethanolproduktion." Ein Verbot bliebe ohne Auswirkungen auf die Ernährungssituation in Entwicklungsländern, betonte Baumann.
Ursprünglich sollte der Sprit mit einem Anteil von zehn Prozent Ethanol, das aus Getreide und Rüben gewonnen wird, die Hauptsorte beim Benzin werden. Doch wegen Sorgen um die Motoren scheuten viele Deutsche nach der Einführung 2011 den Sprit, weshalb die Produktion gedrosselt wurde. Zuletzt stieg der Absatz aber kontinuierlich auf niedrigem Niveau. Im Mai lag der E10-Anteil am Benzinabsatz bei 13,8 Prozent, im Juni bei 13,9 und im Juli bei 14,3 Prozent.
Die Welthungerhilfe begrüßte den Vorstoß Niebels. "Das ist zumindest kein falsches Signal", sagte Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Hilfsorganisation, dem Bonner "General-Anzeiger" (Donnerstagsausgabe). "Das mindeste, was jetzt getan werden muss, ist das Einfrieren der Biosprit-Quote." Zwar sei Biosprit nicht der einzige Faktor, der zur Explosion der Nahrungsmittelpreise beitrage. "Aber es steht außer Frage, dass er zu den Preistreibern dazugehört." Jamann sieht große Chancen, dass es auch auf EU-Ebene zu einer Neuregelung der Biosprit-Quote kommt.