Die Geiselnahme während der Olympischen Spiele 1972, als Palästinenser ins Quartier der Israelis eindrangen, hatte erhebliche Folgen. Die Tragödie gilt als Geburtsstunde des internationalen Terrorismus; und der tragische Ausgang des Verbrechens war ein grausamer Beleg dafür, dass konventionelle Polizeimethoden versagen müssen, wenn Verbrecher keine Angst vor dem Tod haben.
Diese Erkenntnis markiert den Schluss des Films und sorgt für ein halbwegs versöhnliche Ende: Das Desaster des dilettantischen und daher völlig misslungenen Befreiungsversuch führte zur Gründung der speziell geschulten Einsatztruppe GSG9, die fünf Jahre später in Mogadischu erfolgreich die Entführung einer Lufthansa-Maschine beendete.
1972 aber war weit und breit kein Profi in Sicht. Das amateurhafte Verhalten der Polizei bereitet fast schon körperliche Qualen. Dabei haben Martin Rauhaus (Buch) und Dror Zahavi (Regie) es nicht einmal darauf abgesehen, die Mitglieder des Krisenstabs bloßzustellen; auch wenn der von Heino Ferch als großkotziger Popanz verkörperte Polizeipräsident eine peinliche Fehleinschätzung an die andere reiht.
Die heitere Stimmung weicht alsbald blutigem Ernst
Die Identifikationsfiguren im Zentrum müssen naturgemäß aus anderem Holz geschnitzt sein: Eine als Ordnungskraft eingesetzte Polizistin (Bernadette Heerwagen) und ein polizeilicher Hubschrauberpilot (Felix Klare) repräsentieren ein neues Deutschland, das der Welt beweisen will, wie sehr sich dieses Land 27 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewandelt hat; ein Versprechen, das in dieser Form erst beim deutschen "Sommermärchen" während der Fußball-WM 2006 eingelöst werden konnte.
Mit den Spielen und den damit verbundenen Hoffnungen hält sich der Film allerdings nur kurz auf. Die heitere Stimmung weicht alsbald blutigem Ernst, als sich zeigt, dass die Polizei nicht einmal theoretisch auf eine Geiselnahme vorbereitet ist. Eventuelle Konflikte sollten vor allem weggelächelt werden. Nonchalant tut der Polizeipräsident im Prolog das Planspiel eines Kriminalpsychologen (Kai Lentrodt), der genau dieses Szenario entwirft, als realitätsfremd ab.
Der Film konzentriert sich auf die Personen
Trotz dieser offenkundigen Borniertheit sind der Polizeichef und seine Kollegen eher tragische als lächerliche Figuren. Diese jederzeit spürbare Haltung der Filmemacher, schlichte Schwarzweißmalereien zu vermeiden, führt auch zu einer differenzierten Sicht auf die Terroristen. Anders als etwa in "Mogadischu" (ebenfalls teamWorx) sind die Geiselnehmer keine brutalen Barbaren, woran wiederum die Figur Anna großen Anteil hat: Weil sie sich als Unterhändlerin zur Verfügung stellt, kann Anführer Issa (Shredi Jabarin) ihr die Gründe für den Kampf der Palästinenser gegen die Israelis erläutern.
Der Film konzentriert sich ohnehin auf die handelnden Personen. Trotz eines Etats von rund vier Millionen Euro halten sich die Schauwerte in Grenzen. Umso entscheidender sind die Schauspieler. Natürlich ist "München 72" auch ein Thriller von großer Spannung. Doch neben der Gänsehaut auslösenden biografischen Betroffenheit, die verfilmte Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte automatisch bewirken, sind es vor allem die Darsteller, die die große Qualität dieses Dramas ausmachen.
Herausragend in jeder Hinsicht ist dabei der fast zwei Meter große Stephan Grossmann, der für teamWorx schon den jungen Helmut Kohl unnachahmlich verkörpert hat ("Der Mann aus der Pfalz"); hier spielt er Hans-Dietrich Genscher, den damaligen Innenminister. Ähnlich markant: Benjamin Sadler als Ulrich K. Wegener, Chef der späteren GSG9, und Arnd Klawitter als Einsatzleiter.