"Wir sind auch Menschen, ihr könnt euch nicht von uns abwenden!", fordert Amiri. Sein Blick hält den Zuschauer fest, seine Stimme klingt eindringlich und ernst. Amiri ist ein Awá und gehört damit zu einem bedrohten indigenen Volk. In seinem Video bittet er den Justizminister Brasiliens, ihm zu helfen, denn Holzfäller zerstören seinen Wald und damit die Lebensgrundlage seines Volkes.
###mehr-links### Der 9. August ist der "Tag der indigenen Völker", den die Vereinten Nationen initiiert haben. Ungefähr 400 Millionen Menschen leben in 5.000 unterschiedlichen Völkern auf der ganzen Welt. Die Lebensweise der Völker ist sehr unterschiedlich: "In Nordamerika gibt es Völker, die ein Hard-Rock-Café aufmachen und davon leben", sagt Linda Poppe von der Menschenrechtsorganisation Survival. Außerdem gibt es Völker, die nomadische Jäger und Sammler sind, wie die etwa 460 Awá. Sie leben im Amazonas-Regenwald.
Eins haben aber alle indigenen Gemeinschaften gemeinsam: Sie alle werden in ihrer Existenz bedroht. Ihr größtes Problem ist, dass sie ihr Land verlieren, ohne dass sie gefragt werden. Yvonne Bangert, Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GbfV), kennt den Fall der Afro-Kolumbianer: "Sie wurden bedroht: 'Wenn ihr nicht geht, verhandeln wir mit euren Witwen!' Da mussten sie fliehen." Manchmal brächten die Unternehmer gleich bewaffnete Söldner mit. "Das ist für sie der schnellste Weg, das Land frei zu bekommen", sagt Yvonne Bangert.
Rohstoff-Hunger zerstört ihr Land
Das Land der indigenen Völker weckt überall wirtschaftliche Begehrlichkeiten, denn gerade weil sie ihr Land so nachhaltig nutzen, ist es sehr gut erhalten. Landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe wie Uran, Edelmetalle und Oxide lagern unberührt unter den Gebieten der Völker. Unternehmen bewerben sich bei den jeweiligen Regierungen um die Lizenzen, das Land zu kaufen. Dann müssten sich die Regierungen eigentlich an das jeweilige Volk wenden, es unabhängig informieren und um sein Einverständnis bitten. "Das gescheht in der Regel jedoch nicht", sagt Yvonne Bangert.
Hemokoma'á steht in einem von Schwelbrand betroffenen Stück Wald des Awá-Territoriums. Foto: Fiona Watson/Survival
Auf diese Rechtsverletzungen und Missstände will der "Tag der indigenen Völker" aufmerksam machen. Jedes Jahr steht der Tag unter einem bestimmten Motto. Diesmal geht es um indigene Medien und wie indigene Völker sie benutzen können, um sich und ihre Interessen zu präsentieren. "Viele nutzen die modernen Medien, wie zum Beispiel Youtube, um für sich zu kämpfen", sagt Survival-Referentin Linda Poppe.
Der Awá Amiri zeigt sich in seinem Video als Mensch zwischen den Welten. Er trägt den traditionellen Kopfschmuck aus Federn und ist umgeben von dem grünen Wald, in dem sein Volk schon immer gelebt hat. Gleichzeitig geht er selbstbewusst mit der Kamera um, die moderne Kommunikation scheint ihm vertraut. Er ist nicht der einzige Awá, der auf diese Weise um Unterstützung wirbt. Auch Hajkaramykya bittet mit einem kleinen Jungen auf seinem Arm um Schutz vor den Holzfällern: "Der Wald ist unser. Wir sind der Wald." Ihre tiefe Naturverbundenheit zeigt sich auch darin, wie sie ihre "Haustiere" behandeln: Sie sind Teil ihrer Familie. Wie sehr, zeigt, dass Affenbabys auch gesäugt würden, erzählt Linda Poppe.
Land ist Kirche, Land ist Heimat
Nicht nur für die Awá ist ihr Land von existenzieller Bedeutung. Alle Völker verehren ihr Land, sagt GfbV-Referentin Yvonne Bangert: "Land bedeutet für indigene Völker alles. Land ist die Fläche, auf der sie Nahrung anbauen, Land ist Kirche, Land ist Heimat, Land ist Haus." Von ihnen könnten wir lernen, im Einklang mit der Natur zu leben. Für Linda Poppe von Survival ist außerdem die Frage wichtig, wie indigene Völker ihre Probleme lösen. Für die Medizin spielen die Völker eine große Rolle, denn viele Pflanzen können für Medikamente genutzt werden. "Manche Pharmakonzerne arbeiten gezielt mit Indigenen zusammen", sagt Linda Poppe. So seien Medikamente wie Aspirin oder Gifte für Operationen entstanden.
Eine Familie macht Rast, um Acai-Beeren zu sammeln. Foto: Survival
Für die Menschenrechtsorganisation Survival sind die Awá das "bedrohteste Volk der Welt", denn sie seien sehr klein und es gebe niemanden, der sie unterstützt. "Sie leben völlig vom Wald und mit ihm verlieren sie alles. Sie haben keine Möglichkeit, woanders hinzugehen", sagt Linda Poppe. Außerdem seien die Awá regelmäßig Gewalt ausgesetzt.
GfbV-Referentin Yvonne Bangert "würde eine solche Formulierung selbst nicht wählen." Alle Völker seien auf unterschiedliche Weise bedroht. Trotzdem verzeichnen die Menschenrechtsorganisationen für alle Völker auch Erfolge. Der bedeutendste sei die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker. Außerdem könnten sie sich immer besser wehren, sagt Yvonne Bangert: "In Argentinien haben sie demonstriert und Straßen gesperrt, um eine Öffentlichkeit zu schaffen. Und in Ecuador haben die Sarayaku erfolgreich ihre Rechte erklagt." So sei ein Präzedenzfall geschaffen worden.
Auch in der Situation der Awá sei Bewegung drin, sagt Linda Poppe von Survival: "Es gibt mehr Überwachungsflüge über den Wald." Die brasilianische Regierung will so Holzfäller abschrecken, um den Wald und die Awá zu schützen.