Islamische Paralleljustiz wird aus Sicht des langjährigen ARD-Journalisten Joachim Wagner in Deutschland zu häufig ignoriert. Zur Integration müsse auch die Akzeptanz der Rechtsordnung gehören, sagte der frühere stellvertretende Leiter des ARD-Hauptstadtstudios am Montag in Berlin bei einem Kongress der Unions-Bundestagsfraktion zum Thema. Wagner hat ein Buch zur islamischen Paralleljustiz verfasst ("Richter ohne Gesetz").
Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagte, wenn sich Friedensrichter auf islamisches Recht beriefen, liefen vor allem Frauen Gefahr, nicht gerecht behandelt zu werden. Merk erläuterte, die Paralleljustiz sei jedoch kein religiöses oder islamspezifisches Problem, sondern entstehe in integrationsfernen Milieus. Es müsse daher darum gehen, Wissens- und Vertrauensdefizite aufzuarbeiten, Dialog zu betreiben und die Justiz für das Thema zu sensibilisieren.
Die Publizistin Seyran Ates warnte davor, dass sich in Deutschland ähnlich wie in Großbritannien eine islamistische Paralleljustiz etablieren könnte. Die Einführung der Scharia in Deutschland müsse verhindert werden. In erster Linie betreffe dies das Familienrecht und Frauen und Kinder seien dann die Leidtragenden, weil die Scharia Frauen benachteilige.
Auch die Kirche hat Schlichtungsstellen
Der Vizepräsident des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten, Peter Scholz, sagte, von einer Einführung der Scharia in Deutschland durch die sogenannten Friedensrichter könne derzeit nicht die Rede sein. Die Streitschlichtung unter Migranten, wie sie insbesondere bei kurdisch-libanesischen Clans vorkomme, sei in aller Regel nicht auf die Anwendung islamischen Rechts ausgerichtet. Migranten stehe es frei, ihre Streitigkeiten nach eigenen Prinzipien schlichten zu lassen, solange dies im Rahmen der deutschen Rechtsordnung geschehe.
Unterdessen warnte die SPD-Vize-Vorsitzende Aydan Özoguz vor Panikmache. Die Debatte um eine Paralleljustiz und die Anwendung der Scharia in Deutschland werde zu emotional geführt, sagte sie in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Titel der Tagung suggeriere etwas, "das es bei uns in der Praxis so grundsätzlich und umfassend nicht gibt".
Darüber hinaus befürwortete die SPD-Politikerin außergerichtliche Schlichtungsstellen: "Es kann durchaus Sinn machen, wenn man auf diese Weise versucht, zur Einigung zu kommen", sagte sie und verwies auch auf kirchliche Schlichtungsstellen.
Vor kurzem hatte das Bundesjustizministerium zudem angekündigt, noch in diesem Jahr eine Planstelle für Scharia-Recht einzurichten. Über die genaue Ausgestaltung war allerdings seitens des von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geleiteten Ministerium bislang noch nichts zu erfahren.