Am ersten öffentlichen Verhandlungstag haben die Musikerinnen der Frauen-Punkband "Pussy Riot" ihren Auftritt in der Christi-Erlöser-Kathedrale als "ethischen Fehler" bezeichnet. Zugleich betonte die Angeklagte Nadeschda Tolonnikowa am Montag, die Musikerinnen hätten kein strafrechtlich zu verfolgendes Verbrechen begangen. Die Musikerinnen fordern daher statt eines Strafverfahrens ein Ordnungsverfahren.
Der Prozess, der im selben Gerichtssaal wie der Prozess gegen den Kreml-Kritiker und Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski verhandelt wird, hatte am Montagvormittag mit fast einer Stunde Verspätung begonnen. Die Vorsitzende Richterin betonte in der Anklageschrift, die Musikerinnen hätten mit ihrem skandalösen Auftritt am 21. Februar 2012 vor dem Altar der Christi-Erlöser-Kathedrale "den Gläubigen tiefe geistige Wunden zugefügt" und "die Vorstellungen von der Gerechtigkeit ins Wanken gebracht". Den drei jungen Frauen wird "gotteslästerliches Rowdytum" vorgeworfen. Ihnen droht eine Haft im Arbeitslager von bis zu sieben Jahren.
Die Drahtzieher seien "Putin und der Kreml"
Tolonnikowa sagte, der maskierte Auftritt mit wilden Tänzen und Gebeten an die Gottesmutter, sie möge "Russland von Putin befreien", sei ein rein politischer Akt gewesen. Auf keinen Fall hätten sie das Ziel gehabt, die Gefühle der Gläubigen zu verletzen. Deshalb seien sie auch außerhalb eines Gottesdienstes in die orthodoxe Hauptkirche Russlands gegangen.
Nach Verlesung der Anklageschrift wurde die Liveübertragung der Verhandlung unterbrochen. Die Zeugenbefragungen und die Erörterung der Beweismittel gingen am Montagnachmittag ohne laufende Kameras und Fotoaufnahmen weiter. Zuvor hatte das Gericht die Anträge der Verteidigung der drei Frauen auf die Befragung von Zeugen und eine Neuaufnahme der Ermittlungen abgelehnt. Die Verteidiger nannten den Prozess "eine Schande" und ein "Auftragsmachwerk". Die Drahtzieher seien "Putin und der Kreml".
Kirche: "Aufrechterhaltung von Ordnung und Moral"
Am Vortag hatte ein Interview von drei Bandmitgliedern für den britischen "Observer" für Aufsehen gesorgt. Die Frauen waren in ihren bunten Kleidern und, wie üblich, maskiert vor die Kamera getreten. Eine der Frauen hatte erklärt, der Prozess zeige, "dass Putin Angst vor uns hat". Sie würden ihre Aktionen nicht einstellen und dadurch dem "Druck aus dem Kreml nachgeben".
Russische Menschenrechtler bezeichnen die Verhandlungen als "Schauprozess", um oppositionelle Regungen im Land zu unterdrücken. Befürworter, besonders aus Kreisen der russisch-orthodoxen Kirche, übten scharfe Kritik an den Musikerinnen und forderten die "Aufrechterhaltung von Ordnung und Moral".