Sein berühmter trotziger Ausruf "Hier stehe ich und kann nicht anders" ist Martin Luther auf dem Wormser Reichstag von 1521 vielleicht gar nicht wirklich über die Lippen gekommen. Touristen, die auf den Spuren der Nibelungen, jüdischer Rabbiner und der Reformation die rheinland-pfälzische Stadt erkunden, dürfte das aber nicht weiter stören. Deshalb gibt es im unlängst eröffneten Wormser Kirchen- und Diakonieladen "Beim Luther" nicht nur Lutherbibeln, sondern auch Luthersocken mit den angeblichen Schlussworten der legendären Verteidigungsrede.
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Mit dem Gedanken eines Kirchen- und Diakonieladens trugen sich die Verantwortlichen in Worms bereits seit längerer Zeit. Für das evangelische Dekanat und das regionale Diakonische Werk war es dann wie ein Lotteriegewinn, als keine hundert Meter vom imposanten Wormser Lutherdenkmal entfernt ein ehemaliges Verkehrshäuschen freiwurde. Zuvor war hier die Filiale einer internationalen Sandwich-Kette gewesen.
Luther-Touristen aus aller Welt
Der Kirchen- und Diakonieladen hat nun an sechs Tagen in der Woche geöffnet. Zwölf ehrenamtliche Verkäuferinnen und Verkäufer stehen abwechselnd an der Kasse, sie bieten nachgeschmiedete Exemplare von Luthers Trauring an, Wein aus Luthers Lieblingsrebsorte Malvasier oder die neuesten Werke der offiziellen Reformationsbotschafterin Margot Käßmann. Das neue Angebot spricht sich schnell herum: "Ich habe gerade von Ihnen im Radio gehört", sagt eine Besucherin zur Begrüßung.
Wie international die Besucher der Stadt Worms sind, wurde den Mitarbeitern erst nach der Eröffnung bewusst: Der Denkmalkomplex aus dem Jahr 1869 für Luther und die anderen Protagonisten der Reformation, einer der größten seiner Art weltweit, ist traditioneller Endpunkt der Stadtführungen. Es habe im nahen Lutherladen sofort viele Nachfragen gegeben, warum keine englischsprachige Literatur zu kaufen sei, erzählt Projektleiterin Jutta Ebert: "Das habe ich sofort nachbestellt."
Ein Schaufenster für Kirche und Diakonie
"Beim Luther" solle aber nicht nur ein bloßer Souvenirladen sein, sondern ein Schaufenster für Kirche und Diakonie in der Stadt, wünscht sich die regionale Diakoniechefin Anne Fennel. Zweimal pro Woche bieten Berater der Sozialstation und des Betreuungsvereins Sprechstunden an.
"Es sind auch schon Menschen mit Seelsorgeanliegen hierher gekommen", sagt Harald Storch, der evangelische Wormser Dekan. Er hält gerade einen über 100 Jahre alten Band mit Luther-Predigten in der Hand. "Den hat heute Morgen ein Kirchenvorsteher einfach so hier abgegeben", sagt er. Auch das ist ein unerwarteter Effekt des Lutherladens.
Lutherstadt Worms
Worms gehört zum illustren Kreis der sonst überwiegend ostdeutschen Lutherstädte, weil es für die Geschichte der Reformation von enormer Bedeutung war: Auf dem Wormser Reichstag weigerte sich der Reformator, vor Kaiser Karl V. und den versammelten deutschen Fürsten seiner Lehre abzuschwören. Zwar wurde er wurde wegen Ketzerei für vogelfrei erklärt und musste vor seinen Feinden auf der Wartburg versteckt werden. Doch womöglich verstrich mit Luthers Standhaftigkeit die letzte Chance für seine Gegner, die Reformationsbewegung im Keim zu ersticken.
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In der Lutherdekade der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) spielt die Stadt daher auch eine wichtige Rolle - etwa mit dem rheinland-pfälzischen Blechbläserfestival "Luther in Brass" vom 31. August bis zum 2. September oder bei der deutschlandweiten Eröffnung des Themenjahrs "Reformation und Toleranz" der EKD am 31. Oktober in der Wormser Dreifaltigkeitskirche. Für den kommenden April ist dann eine Neuauflage der historischen "Wormser Religionsgespräche" zwischen Katholiken und Protestanten geplant. Womöglich könnten die Diskussionen gar auf dem Platz vor dem Lutherladen stattfinden.