Familienname, Vorname und Anschrift - das sind die Daten, die Meldeämter künftig verkaufen dürfen. Ende Juni hatte der Bundestag ohne Aussprache das neue Meldregistergesetz während des EM-Halbfinalspiels Deutschland-Italien verabschiedet. Eine gute Woche später sieht es so aus, als würde das "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens" im Bundesrat scheitern. Datenschützer wie Opposition wollen die Neuregelung stoppen, die es Einwohnermeldeämtern erlaubt, persönliche Daten von Bürgern an Firmen und Adressehändler ohne Einwilligung weiterzugeben.
Stein des Anstoßes ist, dass der zuständige Innenausschuss des Bundestags auf Drängen der CSU aus einer vorgesehen Einwilligungslösung eine Widerspruchsregelung machte. Künftig soll die Adressweitergabe nur durch einen expliziten Widerspruch der betroffenen Bürger verhindert werden können. Statt zur Datenweitergabe "Ja" sagen zu können, dürfen sich Bürger künftig lediglich mit einem "Nein" wehren.
Vorsorglich Widerspruch einlegen
Doch das "Nein" soll nur dann gelten, wenn die entsprechende Firma nicht schon Daten über die Person hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Unternehmen die Adressen auf illegalem Weg beschafft hat. Reinhard Dankert, Landesdatenschutzbeauftragter in Mecklenburg-Vorpommern, stellt klar: "Mit der Änderung des Gesetzes würde eine nicht mehr aktuelle Adresse genügen und schon könnten die Firmen sich die behördlich beschafften, geprüften aktuellen Adressen - auch bei vorhandenem Widerspruch - besorgen. Auch Adresshändler könnten sich auf diesem Wege auf einfache Weise bedienen und die so gewonnenen geprüften Daten weiterveräußern." Er empfiehlt den Bürgern schon jetzt bei den Meldebehörden vorsorglich Widerspruch einzulegen.
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Auf dem Markt sind jedenfalls schon heute jede Menge Daten im Umlauf, die jetzt über einen Abgleich per Melderegister korrigiert und aktualisiert werden könnten. Allein die Deutsche Post Direkt GmbH verfügt über 37 Mio. "Qualitätsadressen" mit mehr als einer Milliarde Merkmalen, mit der Werbetreibende Zielgruppen definieren können. Sie gibt jedoch an, mit Hilfe der Postzusteller die Adressen selbst zu verifizieren. Laut einer Studie der Deutschen Post investierten Unternehmen im letzten Jahr rund 9,5 Mrd. Euro in volladressierte Werbesendungen. Peter Schaar bezeichnete die neue Regelung nicht ungefähr als "Geschenk an die Werbewirtschaft".
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte das Gesetz auf den Weg gebracht – und auch die Verschärfung des Gesetzes soll nach Angaben aus Koalitionskreisen "auf ausdrücklichen Wunsch der CSU" zustande gekommen sein. Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagte dem Deutschlandradio, dass darum gegangen sei, Einzelanfragen von Bürgern zu erleichtern.
"Poweruser" kaufen die meisten Adressen
Doch es könnte auch einen weiteren Grund geben: In Bayern sitzt das öffentlich-rechtliche Softwarehaus AKDB, das bereits 2003 mit dem ZEMA-Portal das erste bundesweite Online-Portal für Melderegisterauskünfte bereit stellte. Über das Portal können so genannten Poweruser die Daten vieler kommunaler Dienstleister aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, dem Saarland und Schleswig-Holstein "binnen kürzester Zeit" abrufen.
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Laut AKDB gehören Melderegisterauskünfte zu den am häufigsten nachgefragten kommunalen Dienstleistungen – und dank ZEMA erübrige sich auch ein Bundesmelderegister. Der Vorteil für die Kommunen: Sie würden bei ihrer täglichen Arbeit entlastet – und würden von den Einnahmen aus der Auskunftserteilung profitieren. Sie verlangt pro Anfrage ein Entgelt von 7,50 Euro, die Kommunen erhalten für jeden Abruf etwa 5,20 Euro. Jährlich generierten rund so genannte 400 Power-User zwischen 300.000 und 400.000 Anfragen Die AKDB ist noch relativ günstig: Die Kommunen verlangen bis zu 15 Euro für eine Auskunft.
Die Power-User sind, so sagt AKDB-Marketingleiter Hans-Peter Mayer, keine Adresshändler, sondern Institutionen und Personen, die eine meldefähige Anschrift benötigen, wie etwa Rechtsanwälte und Notare, Inkassounternehmen, Versicherungen und Krankenkassen. Nur rund 2000 Anfragen jährlich stammen von einzelnen Personen. Abgesehen davon, dass die AKDB gar keine Auskunft an Adresshändler geben dürfe, so sagt Mayer, wären die Auskünfte viel zu teuer und von professionellen Adresshändlern wie der Deutschen Post Direkt GmbH wesentlich billiger zu haben.
Die CSU sollte erklären, warum sie das Gesetz wollte
Es gibt in der Tat Unternehmen, die noch stärker von der neuen Regelung profitieren könnten - der Medienkonzern Bertelsmann etwa gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen über seine Tochter Arvato AZ Direct, die bereits über eine Adressbasis von 40 Mio. Haushalten verfügt, womit sie nahezu 100 Prozent aller deutschen Haushalte abdeckt. Sie könnte fragwürdige Adressen nun einfacher aktualisieren. Zum anderen über die Arvato-Tochter Riser ID Services, das als "stark expandierendes" Unternehmen für seine Dienste als "One-Stop-Service Provider" für die "Europäische Meldregisterauskunft" in Deutschland sowie acht weiteren europäischen Ländern wirbt. Riser ID Services könnten künftig nun noch mehr Anfragen abwickeln.
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Die SPD will die Novelle im Bundesrat jedenfalls stoppen. SPD-Chef Sigmar Gabriel schrieb auf seiner Facebook-Seite, dass das Meldregister "kein Vorratsdatenspeicher für Zwecke der Wirtschaft" sei. Auch die Jungen Liberalen glauben, dass die Änderung zu weit geht. Ihr Bundesvorsitzender Lasse Becker sagte: "Die Daten der Einwohnermeldeämter sind dafür da, dass öffentliche Verwaltungen einen gesicherten Datenbestand haben und nicht damit irgendwelche Versandhändler meine Adressdaten überprüfen können.
"Für Verwirrung in der Koalition sorgen jetzt Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) und CSU-Chef Horst Seehofer, die nun eine Änderung der eben beschlossenen Regelung verlangen. Auch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri meldete sich zu Wort und bezeichnete die Änderung als "unsäglich". Bayern solle sich im Bundesrat dagegen aussprechen. Vorher sollte die CSU jedoch erklären, warum sie sich für die Regelungsänderung im Bundestag überhaupt engagiert hatte.