Wenn die Olympischen Spiele in London näher rücken, packt auch Pfarrer Thomas Weber seine Koffer. Offiziell gehört er als "Olympiapfarrer" zur Mannschaft. "Als Pfarrer ist man dort aber ein Exot", erzählt der 52-Jährige, der aus dem nordrhein-westfälischen Gevelsberg bei Wuppertal kommt. Zusammen mit seinem katholischen Kollegen Hans-Gerd Schütt ist er geistlicher Ansprechpartner für die Sportler, ihre Familien und für Trainer und Funktionäre.
Die Leute rechneten bei den Olympischen Spielen mit allen möglichen Experten, sagt der Theologe. "Aber einen Pfarrer erwartet man an der Aschenbahn so ziemlich als letzten." Weber feiert Gottesdienste und Andachten. Und er sieht seine Aufgabe darin, zwischen den Extremen von berauschenden Siegen und deprimierenden Niederlagen für die Sportler da zu sein.
Besonders jüngere Olympioniken müssten oft lernen, mit Niederlagen umzugehen. "Wenn man erfolgreich ist, klopft einem jeder auf die Schulter", sagt Weber. Wenn man aber verliere oder Verletzungen auskurieren müsse, zögen sich Partner und Freunde zurück. Aber erst das Überwinden einer Niederlage formt die Persönlichkeit, ist der "Olympiapfarrer" überzeugt. "Als Pastor sage ich: Aufstehen mit Gottes Hilfe ist auch ein Angebot unseres Glaubens."
Der Tod und die Ziele im Leben
"Große internationale Wettkämpfe wie auch die Olympischen Spiele sind für die Athleten eine Zeit extremer Erfahrungen", sagt auch der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Bernhard Felmberg. Große Anspannung, Freude und Erfolg, aber auch Niederlagen und tiefe Enttäuschung lägen oft dicht beieinander. "Viele Athleten sind dankbar, wenn sie dabei einen Seelsorger in ihrer Nähe wissen, der nicht nur nach Bestzeiten fragt, sondern den Menschen sieht", sagt Felmberg.
Mit einem Pfarrer können die Sportler über alles sprechen, was ihnen auf der Seele lastet. Ein Thema ist oft die Familie: Wie kann Familienleben gelingen, wenn man für den Sport einen Großteil des Jahres unterwegs ist? Viele Athleten treibt auch eine ungewisse Zukunftsperspektive um, wie Weber erfahren hat: "Die meisten wissen: Selbst wenn sie Sieger sind, werden sie einmal abtreten, und dann interessiert das niemanden mehr."
Besonders beeindruckt hat ihn einmal ein Gespräch auf dem Flug zu den Winterspielen nach Vancouver vor zwei Jahren. Der Eishockeyspieler neben ihm erzählte von seiner Familie und seinen Kindern. Dann kam er auf den plötzlichen Tod des Torhüters durch einen Gehirntumor. Wenn so etwas passiere und jemand Frau und Kinder hinterlasse, müsse sich doch jeder fragen, was wirklich zähle im Leben, habe der Sportler nachdenklich gesagt. "Das hätte ich als Pfarrer nicht besser formulieren können", sagt Weber. Den Rest des Fluges sprachen sie dann über den Tod und die Ziele im Leben.
Präsenz der Kirche bei den Olympischen Spielen ein wichtiges Signal
Die großen Wettkämpfe begleitet der Pfarrer, der im Vorstand des bundesweiten Arbeitskreises "Kirche und Sport" ist, seit den Winterspielen 2006. Dabei ist Weber natürlich nur im Nebenamt "Olympiapfarrer". Hauptamtlich betreut er die Kirchengemeinde Gevelsberg im Kirchenkreis Schwelm.
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Innerhalb der Kirche werde das kirchliche Engagement bei den Sportveranstaltungen gelegentlich auch skeptisch gesehen. "Das ist in der Kirche schon ein Randgebiet", ist die Erfahrung Webers. Für den Theologen, der Handball und Tennis spielt, ist die Präsenz der Kirche bei den Olympischen Spielen hingegen ein wichtiges Signal. "Damit zeigen die Kirchen: Wir ziehen uns nicht zurück, sondern sind auch bei solchen großen Veranstaltungen dabei und bieten unsere Hilfe an."
Dass die Sportler das Angebot der Kirchen gerne annehmen, hat Weber in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren. "Wir finden es gut, dass die Kirchen Pfarrer mitschicken", habe ihm einmal ein Trainer gesagt, der normalerweise nicht viel mit der Kirche zu tun hat. Nach den Spielen in Peking wurde Weber von einem Sportler gebeten, bei dessen Hochzeit mitzuwirken. "Das sind dann die kleinen Erfolgserlebnisse, von denen wir als Pfarrer leben."