Allerdings müsse Musik verantwortungsvoll und behutsam eingesetzt werden: "Es reicht nicht aus, nur einfach das Radio anzumachen". Angehörige und Pfleger sollten "biografische Schlüssellieder" des Patienten suchen und sich über musikalische Vorlieben oder Abneigungen informieren.
"Ein norddeutscher Demenzpatient bekommt womöglich bei Karnevalsmusik die Krise", sagte Wickel. Selbst der leidenschaftlichste Klassikliebhaber könne als ein durch Demenz Veränderter daran scheitern, die komplizierte Struktur seiner einst geschätzten Musik zu verarbeiten. Auch sei nicht grundsätzlich jeder mit Musik zu beglücken.
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Wie der Wissenschaftler betonte, fördert der Einsatz von Musik in der Betreuung und Pflege das Erinnerungsvermögen. Sie bilde "eine Brücke zur Vergangenheit", sei manchmal Trösterin, verdränge Schmerzen und Sorgen und öffne ein "Fenster zu mehr Lebensqualität".
"Anker für Lebensereignisse"
Als "Anker für Lebensereignisse" eigneten sich bei heute Hochbetagten vor allem Kirchen-, Volks- und Wanderlieder sowie Schlager. "Der an Demenz Erkrankte sollte vor allem nicht durch Unbekanntes und Fremdes erschreckt werden", sagte Wickel. Beim Fortschreiten der Demenz nehme häufig das Bedürfnis nach einfacher, rhythmischer Musik zu. Auch Wiederholungen von Musikstücken stärkten das Gefühl von Sicherheit und Orientierung der Patienten. Ein intensives, kurzes, gemeinsames Erleben von Musik sei zudem besser "als stundenlanges Nebenherhören".
Die Patienten sollten auch die Möglichkeit erhalten, Musik selbst zu machen, findet Wickel. Ältere und beeinträchtigte Menschen könnten sich auf diese Weise als selbstwirksam erleben, sich anders als mit Sprache ausdrücken und durch die Musik angeregte Gefühle wiedererleben. Dabei gehe es darum, sich als Kulturschaffende zu fühlen. Die Patienten könnten über das Musizieren Selbstbewusstsein aufzubauen und mit anderen über die Musik in Dialog zu treten, sagte der Wissenschaftler.