Die evangelische Kirche ist besorgt über aggressive Religionskritik und ein Abdrängen des Glaubens ins Private. Christen setzten sich zusammen mit Juden und Muslimen für das Recht auf eine "sichtbare Religionsausübung" ein, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, am Sonntag im Ostseebad Timmendorfer Strand zum Auftakt der EKD-Jahrestagung.
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Vor der Synode sprach sich Schneider unter anderem dafür aus, die traditionelle Beschneidung bei Juden und Muslimen wie geplant gesetzlich zu regeln. Außerdem warb der oberste Repräsentant von fast 24 Millionen Protestanten dafür, im Jahr 2017 den 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag als bundesweiten Feiertag zu begehen.
Die EKD respektiere die grundlegende Bedeutung der Beschneidung für Judentum und Islam, sagte Schneider. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trage den medizinischen, ethischen und rechtlichen Aspekten Rechnung. "Er lässt die Freiheit der Religionsausübung unberührt, er findet einen Ausgleich zwischen elterlichem Erziehungsrecht und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und berücksichtigt das Kindeswohl", hob der Ratsvorsitzende hervor.
Gott ist nicht "quadratisch, praktisch, gut"
Schneider nannte es eine zentrale kirchliche Aufgabe, die Sehnsucht nach Gott wachzuhalten. Der christliche Gott sei nicht zu verwechseln mit einem Talisman oder Glücksamulett, von denen sich Menschen Schutz versprächen. Gott entziehe sich allen menschlichen Versuchen, ihn "gleichsam quadratisch, praktisch, gut" für persönliche Interessen in die Lebensplanung einzubauen.
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Fünf Jahre vor dem Reformationsjubiläum sprach sich Schneider dafür, dass der Reformationstag am 31. Oktober 2017 zum bundesweiten Feiertag erklärt wird. Die Reformation sei in ihren Wirkungen ein weltveränderndes Ereignis, das die Gesellschaft bis heute präge, sagte der rheinische Präses. Die Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 sind Schwerpunktthema der bis Mittwoch an der Ostsee tagenden EKD-Synode.
Nach den Worten Schneiders soll eine evangelisch-katholische Arbeitsgruppe prüfen, ob es einen gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst auf dem Weg zum Reformationsjubiläum geben könne. In diesem Gottesdienst könnten die Verletzungen bekannt werden, die sich die beiden großen Kirchen wechselseitig im Verlauf der zurückliegenden 500 Jahre angetan hätten. Der Ratsvorsitzende sprach von einem Versuch, "ein aufrichtiges und selbstkritisches Erinnern anzuregen, die gegenseitigen Verletzungen wahrhaftig zu benennen und sie mit der Bitte um Vergebung vor Gott zu stellen".
2017: Unsicherheit bei Katholiken
Auch die katholischen Laien in Deutschland wollen das bevorstehende Reformationsjubiläum zu einem Zeichen für die Ökumene machen. Doch gebe es in der katholischen Kirche es eine große Unsicherheit, wie an den Beginn der Reformation im Jahr 1517 erinnert werden solle, sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, in einem Grußwort an das Kirchenparlament. Zwischen den Konfessionen sei eine "Ebene des Vertrauens" unverzichtbar.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) rief die evangelische Kirche in seinem Grußwort zu gesellschaftlicher Einmischung auf. Erstmals sprach eine muslimische Bürgermeisterin vor der EKD-Synode. Die 33-jährige Hatice Kara, die in der Türkei geboren wurde, hatte im Mai für die SPD die Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand gewonnen. Die Juristin Kara stellte die Gastfreundschaft und Weltoffenheit in der 9.000 Einwohner zählenden Gemeinde heraus, die ihr als Einwanderin den Wahlerfolg ermöglicht hätten.
Die Synode war am Morgen mit einem Gottesdienst in Lübecker Dom eröffnet worden. In seiner Predigt rief der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich zum Einsatz für soziale Gerechtigkeit auf. Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich sei "von Menschen entfachter Irrsinn", sagte er.