"Wir brauchen die Sicherheitsbehörden", sagte Edathy am Donnerstag in Berlin auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der Opfer, Barbara John, und der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Nötig sei aber eine Qualitätsoffensive, die zu mehr Experten, einer höheren Sensibilität und zu Personal ohne stereotypes Denken in den Behörden führt. "Es reicht nicht, ein paar Stellschrauben nachzustellen", sagte Edathy.
Zwar stehe der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der NSU-Morde zeitlich unter Druck. Er könne nicht versprechen, dass alles lückenlos aufgeklärt werde. "Aber wir tun alles dafür", betonte Edathy. Der Ausschuss soll bis zum Ende der Legislaturperiode Mitte 2013 seinen Abschlussbericht vorlegen. Dies sei leistbar, sagte der SPD-Politiker.
Am Sonntag (4. November) jährt sich zum ersten Mal die Aufdeckung der Mordserie des rechtsextremen Zwickauer Terrortrios. Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) soll in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet haben. Dabei handelte es sich um Kleinunternehmer mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin.
Der "größte Sicherheitsskandal seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland"
Der Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, warf der Bundesregierung eine Bagatellisierung des Rassismus vor. Viele Bürger fragten sich, "ob ein Wille zur Aufklärung tatsächlich vorhanden ist", sagte Kolat. Es sehe nicht danach aus, "dass die politische Klasse verstanden hat, dass wir es mit dem größten Sicherheitsskandal seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben". Er bezeichnete es als unglaublich, "das es eindeutige Vertuschungsversuche gegeben hat". Einige Politiker wollten nicht wahrhaben, dass es ein riesiges Rassismusproblem in Deutschland gebe.
Die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU Opfer, John, forderte die Bundesregierung auf, sich um die Krise in den Sicherheitsbehörden zu kümmern. Die Behörden führten ein Eigenleben, Bund und Länder hätten die Zügel nicht mehr in der Hand. John wiederholte ihren Vorschlag zur Gründung einer Bundesstiftung für die NSU-Opfer. In einer Stiftung könnten die einschneidenden Ereignis aufgearbeitet und Präventionsaufgaben übernommen werden. John bezeichnete die rechtsextremistische Mordserie als schlimmsten Einschnitt in die Geschichte der Bundesrepublik seit dem Terrorismus der linksextremen "Roten Armee Fraktion".
Als Vertreter der Hinterbliebenen von Opfern rechtsextremer Anschläge sagte Ibrahim Arslan, Sohn einer 1992 in Mölln getöteten Frau, auf der Pressekonferenz, die Opfer der Anschläge würden oftmals als "Schandflecken abgestempelt". Gegenüber staatlichen Behörden sei es schwierig, Opferansprüche geltend zu machen.