Berlin (epd). Der Anteil der Armutsbetroffenen in Deutschland ist laut dem Paritätischen Gesamtverband jüngst wieder gewachsen. Nach einem Rückgang seit 2020 gab es 2024 erneut einen Anstieg um 1,1 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent, wie es im neuen Armutsbericht des Verbands heißt, der am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurde. Er sieht Armutsbetroffene durch die hohe Inflation der vergangenen Jahre und gestiegene Wohnkosten besonders belastet.
Die Quote von 15,5 Prozent entspricht rund 13 Millionen armutsbetroffenen Menschen. Frauen sind rechnerisch häufiger arm als Männer, auch junge Erwachsene und Menschen über 65 sind stärker betroffen als der Durchschnitt. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind nach wie vor groß: Die höchste Armutsquote weist laut dem Bericht Bremen auf mit 25,9 Prozent. In Bayern ist die Quote mit 11,8 Prozent nicht einmal halb so hoch.
Als arm werden Menschen eingestuft, die in einem Haushalt leben, der weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens aller Haushalte in Deutschland zur Verfügung hat. Im Jahr 2024 lag die Grenze bei 1.381 Euro im Monat für einen alleinlebenden Menschen. Zum Einkommen gehören dabei unter anderem Löhne, Wohngeld, Kindergeld und andere Sozialleistungen. Die vom Paritätischen ausgewerteten Grunddaten stammen vom Statistischen Bundesamt.
Laut dem Verband sorgte die hohe Inflation dafür, dass arme Menschen in den vergangenen Jahren noch ärmer wurden. Das mittlere Einkommen von Menschen unterhalb der Armutsgrenze habe im Jahr 2020 bei 981 Euro im Monat gelegen - 2024 seien es preisbereinigt nur noch 921 Euro gewesen.
Für die Berechnung wurden die Einkommen mit der Preisentwicklung seit 2020 abgeglichen, um abzubilden, „dass man sich in 2024 für einen Euro weniger kaufen kann als noch in 2020“, wie es im Armutsbericht heißt. Demnach war der Effekt im Jahr 2023 besonders stark ausgeprägt: Damals habe das preisbereinigte mittlere Einkommen armer Menschen bei nur 883 Euro monatlich gelegen. Das bedeutete einen Rückgang um rund zehn Prozent binnen drei Jahren. Nominal lag das mittlere Einkommen armer Menschen 2023 bei 1.031 Euro und 2024 bei 1.099 Euro.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock, erklärte: „Die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre verschärfen die ohnehin schon schwierige finanzielle Lage von Millionen Betroffenen.“ Rock: „Die neue Bundesregierung muss die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung jetzt ganz oben auf die Agenda setzen.“
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte in Berlin, von Armut betroffene Menschen „leiden am stärksten unter den Folgen der letzten Krisen“. Gleichzeitig sei die Zahl der Milliardäre in Deutschland zuletzt gestiegen. „Hier muss die neue Regierung endlich mit einer gerechteren Besteuerung von sehr großen Vermögen und hohen Erbschaften gegensteuern“, forderte Bentele.
Als eine besondere Belastung für arme Haushalte identifiziert der Bericht des Paritätischen auch die Wohnkosten. 37 Prozent müssen demnach mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für Wohnkosten ausgeben. Bei 25 Prozent der armen Haushalte verschlingen die Wohnkosten sogar mehr als die Hälfte des Nettoeinkommens.
Helena Steinhaus vom Verein „Sanktionsfrei“, bemängelte, viele Menschen könnten ihre Jahresendabrechnungen nicht bezahlen. „Die Folge sind Stromsperren, die noch mehr Kosten nach sich ziehen.“ Betroffen seien auch Haushalte mit Kindern.