Debatte um Wehrpflicht geht weiter

Debatte um Wehrpflicht geht weiter
Deutschland hatte die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Seitdem ist der Dienst freiwillig. Die Attraktivität der Bundeswehr soll nun gesteigert werden, um ausreichend Freiwillige zu finden.

Frankfurt a.M. (epd). Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland angesichts der aktuellen Sicherheitslage hält weiter an. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hält es nicht für erforderlich, diese wieder in Kraft zu setzen, wirbt stattdessen aber für positive Anreize: „Wir müssen die Attraktivität der Bundeswehr steigern. Ich bin mir sicher, über diesen Weg wird man ausreichend Freiwillige finden“, sagte er den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Sonntag). Als Beispiel nannte er die Möglichkeit, kostenlos beim Bund den Führerschein zu machen.

CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul und der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) werben dagegen für eine Wiederaufnahme der Wehrpflicht und stellen sich damit gegen Klingbeil. „Die Union hätte eine sofortige Wehrpflicht befürwortet, weil wir in vier Jahren mindestens 100.000 Personen mehr militärisch ausgebildet haben müssen, sagte Wadephul dem “Tagesspiegel„ (Online, Sonntag): “Jetzt beginnen wir mit einer Freiwilligkeit, die wir in der Tat attraktiv gestalten wollen."

„Die Zeit der Friedensdividende mit einer reinen Freiwilligenarmee ist unwiderruflich vorbei“, sagte der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) dem „Tagesspiegel“ (Online-Ausgabe): „Ohne das Wiederaufleben der Wehrpflicht in angepasster Form wird die Bundeswehr nicht größer, kampfkräftiger und einsatzbereiter.“

Die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, hält die im Koalitionsvertrag festgehaltene vorsichtige Einführung der Wehrpflicht nach schwedischem Modell für denkbar. „Zusammen mit dem Ausbau der Freiwilligendienste und des Zivil- und Katastrophenschutzes könnte das ein Weg sein“, sagte Gidion dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Samstag, Online): „Klar ist aber auch, dass Wehrdienstverweigerung ein Menschenrecht ist.“

Im Koalitionsvertrag heißt es, Union und SPD wollen sich bei der Ausgestaltung des Dienstes am schwedischen Wehrdienstmodell orientieren. Das schwedische Modell basiert auf einem webbasierten Fragebogen, der allen Männern und Frauen im wehrpflichtigen Alter zugesendet wird und Motivation, Fähigkeiten und Interessen abfragt. Auf dieser Grundlage wird ein Teil der Personen zur Musterung geladen. Ein ähnliches Modell hatte der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im vergangenen Jahr vorgestellt.

Der katholische Militärbischof und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (Essen) erklärte: „Wir stecken in einer paradoxen Situation, aus der wir nicht herauskommen. Als Christen wollen wir alles dafür tun, Frieden zu stiften und eine Eskalation nach Möglichkeit abzuwenden. Wenn dies aber nicht mehr möglich ist und es eine reale Kampfsituation gibt, müssen wir die Würde und die Schutzbedürftigkeit der Menschen wahren.“

Deutschland hatte die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Derzeit dienen rund 184.000 Soldatinnen und Soldaten im deutschen Militär. Die Zahl der aktiven Reservisten liegt aktuell bei rund 34.000.