Berlin (epd). Im Prozess um einen Angriff auf den jüdischen Berliner Studenten Lahav Shapira ist der Angeklagte zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sprach Mustafa El-H. A. am Donnerstag der gefährlichen Körperverletzung schuldig und nannte Antisemitismus als Motiv. Der Vorsitzende Richter Sahin Sezer sagte, das Urteil sei „drakonisch“, wenn man bedenke, dass El-H. A. noch keine Vorstrafen habe. Neben dem Resozialisierungsgedanken gehe es jedoch auch um eine Generalprävention angesichts steigender antisemitischer Gewalt.
Mit seinem Urteil ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die zwei Jahre und vier Monate Haft gefordert hatte. Es habe eine „abstrakte Lebensgefahr“ für den 32-jährigen Shapira bestanden, die Gewalttat hätte potenziell tödlich enden können, erklärte das Amtsgericht.
Das frühe Geständnis des Angeklagten sah der Vorsitzende Richter zwar als strafmildernd an. Der Tatbestand sei jedoch so eindeutig, dass dies kaum zu berücksichtigen sei. Er warf der Verteidigung eine „Salamitaktik“ und den Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr vor. Auch die Kickbox-Erfahrung von El-H. A. habe sich strafverschärfend ausgewirkt.
„Sie haben sich die Zukunft versaut“, sagte Sezer, der nach eigenen Angaben einen türkischen Migrationshintergrund hat, zu dem 24 Jahre alten früheren Lehramtsstudenten: „Was hätten Sie für ein Vorbild für die Jungs in den Betonbauten Neuköllns sein können.“
Shapira sagte, er sei „froh, dass es vorbei ist und das antisemitische Motiv erkannt wurde.“ Auch der beim Prozess anwesende Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wertete es als „gutes und gerechtes Urteil“. Damit habe „der Rechtsstaat gezeigt, dass er nicht duldet, wenn Menschen angegriffen werden, weil sie Juden sind und sich gegen Antisemitismus einsetzen.“
Shapira und El-H. A. waren Kommilitonen an der Berliner Freien Universität (FU). Dort hatte Shapira als Administrator eine Chatgruppe mit mehr als 400 Teilnehmenden geleitet und antisemitische Beiträge gelöscht. An der FU entfernte Shapira zudem antisemitische Aufrufe. Als der Angeklagte das Opfer im Februar 2024 in einer Bar in Berlin-Mitte sah, wollte er ihn nach eigener Aussage deshalb zur Rede stellen. Er folgte Shapira und seiner Begleitung beim Verlassen der Bar und es kam zu einem Wortgefecht. Dann schlug er zu und trat Shapira ins Gesicht. Dieser erlitt komplexe Frakturen und musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Er leide zudem psychisch an den Folgen, hieß es.
Es treffe zwar zu, dass El-H. A. sich nie selbst antisemitisch in den Chatgruppen geäußert habe, urteilte das Gericht. Dass er zugleich Personen verteidigte, die dies taten, und er sich über das Entfernen antisemitischer Plakate echauffierte, überwog jedoch bei der Beurteilung des antisemitischen Motivs. Zudem wurde auf einem Handy des Angeklagten ein Snapchat-Video vom Tatort gefunden. Er habe es zwar nicht selbst angefertigt, aber vermutlich habe es einer seiner Begleiter in der Tatnacht erstellt, hieß es. Die Unterschrift: El-H. A. habe den „Judenhurensohn totgeschlagen“.