Berlin (epd). Nach harscher Kritik der Unionsparteien verteidigen Grünen-Politiker und die Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl die von der Bundesregierung organisierten Charterflüge für gefährdete Afghaninnen und Afghanen. Es sei „moralisch und rechtlich richtig“, dass die Regierung gefährdete Menschen aus Afghanistan in Deutschland aufnimmt, sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damit stehe die Bundesregierung zu ihrem Wort, dass Deutschland besonders bedrohte Frauen und Männer aus Afghanistan nicht im Stich lasse.
Union und SPD wollen die Flüge nach der Bildung der neuen Bundesregierung beenden. Der Grünen-Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Donnerstag): „Erneut schießt man aus der Union aus allen Rohren gegen die Aufnahme von Menschen, die vor der Terrorherrschaft der Taliban geflüchtet sind.“ Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch sagte dem Fernsehsender phoenix, den afghanischen Ortskräften den Schutz zu verweigern, sei so „ungefähr das Unchristlichste“, was er in den vergangenen Jahren erlebt habe.
Am Mittwoch war ein weiterer Charterflugzeug mit 138 gefährdeten Afghaninnen und Afghanen in Leipzig gelandet. „Es liegen in diesen Fällen konkrete, bereits in der Vergangenheit gegebene verbindliche Aufnahmezusagen Deutschlands vor“, teilte das Bundesinnenministerium auf Anfrage mit. Neue Aufnahmezusagen würden nicht erteilt. 76 der Passagiere waren Frauen und 45 waren Kinder unter 18 Jahren.
Seit der erneuten Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021 nimmt Deutschland gefährdete Personen aus dem Land auf, die über in Pakistan organisierte Charterflüge einreisen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich derzeit noch rund 2.600 Afghaninnen und Afghanen in Pakistan, die eine rechtlich verbindliche Aufnahmezusage haben und auf ihre Ausreise warten.
Dass die Flüge vor dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung derzeit in großer Zahl erfolgen, begründete der Grünen-Politiker Audretsch mit den umfangreichen Überprüfungen der deutschen Behörden. Inzwischen gebe es sicherheitspolitisch keine Bedenken mehr.
Das Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte betonte, das aktuelle Sicherheitsniveau sei sehr hoch. „Da habe ich deutlich weniger Angst als bei Menschen aus Afghanistan, die auf unkontrollierten Fluchtwegen nach Deutschland kommen“, sagte der Projektbeauftragte des Patenschaftsnetzwerks, Markus Kurczyk, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Donnerstag). Das Netzwerk Ortskräfte kümmert sich um Afghaninnen und Afghanen, die für deutsche Institutionen, Behörden und Unternehmen in dem Land gearbeitet haben.
Seit der Machtübernahme der Taliban nimmt Deutschland Ortskräfte, also ehemalige lokale Mitarbeitende der Bundeswehr oder von Ministerien, auf. Zusagen erhielten zudem Menschen, die sich in den Bereichen Justiz, Politik, Medien, Kultur, Bildung, Sport oder Wissenschaft engagiert haben und deshalb von Verfolgung bedroht sind.