Berlin (epd). Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, hat die Situation im Gaza-Streifen als katastrophal bezeichnet. Der erste Eindruck sei ein verlassenes Land und die Menschen lebten dort „mitten im Nichts und Nirgendwo“, sagte der Kardinal in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit dem TV-Sender „Welt“. „Man findet kilometerweit kein einziges stehendes Haus. Berge von Müll, dieser Geruch, weil das Abwassersystem nicht funktioniert.“ Als Kirchenvertreter hat Pizzaballa mehrfach den Gaza-Streifen besucht, rund 600 Christen leben noch dort, die meisten auf dem Gelände einer Kirche.
Seine Kirche liefere derzeit Essen für rund 40.000 Menschen in das Kriegsgebiet. Zudem versuche man, die christliche Gemeinde zu schützen, so gut man es könne. „Wir sind ziemlich aktiv, aber die Situation ist katastrophal“, sagte Pizzaballa, der als Lateinischer Patriarch verantwortlich für die Katholiken in Israel und in den Palästinensergebieten ist.
Er hoffe, dass die Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der Hamas bald Ergebnisse zeigten. „Falls es scheitert, wird es eine sehr problematische, sehr katastrophale Situation geben, noch schlimmer als jetzt“, sagte der Kardinal. Der israelischen Regierung warf er vor, keine Vision für die Zeit nach dem Krieg zu haben. „Palästinenser und Israelis werden weiter hier leben, sie brauchen eine Vision, sie brauchen einen Rahmen, um in diesem Land zu leben, einer in der Nähe des anderen.“ Allerdings gebe es auch sehr große Unterschiede bei den Positionen der Palästinenser, deren Gesellschaft zersplittert sei. „Das ist Teil des Problems.“
Auslöser des jüngsten Nahost-Krieges war der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem Hunderte Menschen getötet und verschleppt wurden. Im Zuge der zwischen den Konfliktparteien erst im Januar vereinbarten Waffenruhe waren mehrere von der Hamas entführte israelische Geiseln freigelassen worden. Doch die Waffenruhe wurde im März gebrochen. Seither greift die israelische Armee die Hamas im Gaza-Streifen wieder an. Die mehr als zwei Millionen Menschen im Gaza-Streifen sind größtenteils auf humanitäre Hilfe von außen angewiesen