Studie sieht beim Thema Ernährung begründete Angst vor Abwertung

Studie sieht beim Thema Ernährung begründete Angst vor Abwertung
Eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung sieht beim Thema Ernährung großes Potenzial für eine Spaltung der Gesellschaft. Ein Dilemma: Einerseits fordern viele Menschen mehr Regulierung, andererseits lehnen sie politische Einmischung überwiegend ab.

Stuttgart (epd). Bei der Debatte um die allgemeine Ernährung gibt es laut einer Studie der Robert-Bosch-Stiftung eine verbreitete Angst davor, aufgrund seines Lebensstils von anderen abgelehnt zu werden. Diese Angst sei auch begründet, heißt es in der am Dienstag in Stuttgart veröffentlichten Untersuchung. Das Thema Ernährung sei mit Scham und Abwertung besetzt. Für die Studie hatte die Stiftung gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Verian Ende Oktober mehr als 2.000 Menschen befragt.

Demzufolge empfinden 34 Prozent der Befragten negative Gefühle für Menschen, die täglich Fleisch essen. Sogar 56 Prozent werten Veganerinnnen und Veganer ab. Besonders stark ist die Abwertung von Menschen, die sich hauptsächlich von Fastfood ernähren: 74 Prozent der Befragten schauen auf die Konsumenten ungesunder Schnellgerichte herab.

Zugleich gibt eine deutliche Mehrheit (59 Prozent) an, dass Ernährung für sie vor allem ein persönliches Thema sei, kein gesellschaftliches. Die Studienautorinnen und -autoren äußern jedoch Zweifel an solchen Angaben: „Wenn die Menschen Ernährung vor allem für ein persönliches Thema halten, sollte es ihnen eigentlich egal sein, ob jemand sein Abendbrot mit Wurst belegt oder nicht.“ Die Zahlen sprächen eine andere Sprache. Sie zeigten, „welcher Druck auf die Debatte kommen kann, wenn bestimmte Reizbilder bedient werden“.

Man habe es also mit einer Debattenlage zu tun, in der die Lager sich gegenseitig die Debattenschuld zuwiesen und sich abwertend übereinander äußerten, hieß es weiter: „Gerade weil Ernährung ein derart persönliches Thema und so stark mit der eigenen Lebensweise verbunden ist, öffnet die gesellschaftliche Debatte darüber die Tür für Angst vor gegenseitigen Urteilen.“

Dennoch entzögen sich viele Menschen nicht dem Nachdenken über Ernährung, ergab die Studie. Nach Angaben von 64 Prozent der Befragten braucht es hier allgemeine Veränderungen. 33 Prozent hätten ihren Fleischkonsum bereits reduziert, weitere 43 Prozent könnten sich vorstellen, dies zu tun. „Über diese Themen kann man mit ihnen sehr wohl sprechen“, heißt es in der Studie, „wenn ein respekt- und verständnisvoller Ton getroffen wird.“

Über den ernährungspolitischen Status quo herrsche Unzufriedenheit, hieß es weiter. 62 Prozent der Befragten fanden der Bosch-Stiftung zufolge die aktuelle Ernährungspolitik wirkungslos und 58 Prozent ungerecht. Zugleich forderten 58 Prozent, die Politik solle sich aus der Frage der Ernährung heraushalten.

Dieser vermeintliche Widerspruch sei ein Dilemma, räumten die Studienautorinnen und -autoren ein. Sie empfahlen der Politik, bei der Frage der Ernährung vor allem den Schutz der allgemeinen Gesundheit zu betonen. Dieser Aspekt stehe bei den Befragten weit vorne (insgesamt 54 Prozent). Zudem gehe es den Menschen sehr stark um die Bezahlbarkeit von Lebensmitteln (38 Prozent). Bei den Befragten herrsche „nahezu einhellig die Meinung, dass der Lebensmittelindustrie strengere Vorgaben zum Wohle der Bevölkerung gemacht und diese rigoros kontrolliert werden sollten“.