Kassenärzte und Patientenschützer fordern Corona-Aufarbeitung

Kassenärzte und Patientenschützer fordern Corona-Aufarbeitung
Geschlossene Kitas und Schulen, strenge Kontaktbeschränkungen und isolierte Pflegebedürftige: Die Anti-Corona-Maßnahmen sind noch immer heftig umstritten. Patientenschützer und Kassenärzte pochen auf eine parlamentarische Aufarbeitung.

Düsseldorf (epd). Fünf Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown dringen Kassenärzte und Patientenschützer auf eine Aufarbeitung der damals ergriffenen Maßnahmen durch den neuen Bundestag. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen forderte am Wochenende eine konsequente Evaluation der politischen Entscheidungen aus wissenschaftlicher, rechtlicher und politischer Sicht in einer Enquetekommission, „um für die nächste Pandemie gewappnet zu sein“. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, hält gesetzliche Grundlagen für erforderlich, um einer möglichen künftigen Pandemie effizient zu begegnen.

Nach Gassens Worten steht „die Glaubwürdigkeit von Politik auf dem Spiel, wenn weiterhin keine Aufarbeitung erfolgt - mit der fatalen Konsequenz, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend das Vertrauen in staatliches Handeln verlieren“. Diese Entwicklung lasse sich an den jüngsten Wahlergebnissen deutlich ablesen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag).

Der KBV-Chef äußerte sich aus Anlass des ersten Corona-Lockdowns vor fünf Jahren, als unter anderem Schulen und Kitas geschlossen und strenge Kontaktbeschränkungen erlassen wurden. Bei der Evaluation solle es nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um die Frage, was gut gelaufen sei und welche Maßnahmen sich als falsch erwiesen hätten oder gar nicht befolgt worden seien, betonte er. Gassen kritisierte einen politischen Widerstand gegen eine Aufarbeitung. Es sei „schwer erträglich, dass einige derjenigen, denen damals keine Maßnahme hart genug sein konnte, sich in einer Art Geschichtsklitterung immer noch als Retter der Nation gerieren und einer ehrlichen Aufarbeitung im Weg stehen“, sagte er.

Nach Einschätzung von Brysch wurden in der Pandemie die größten Fehler in der stationären Altenpflege gemacht. Pflegeheime zählten zu den Brennpunkten und nicht zu den Brutstätten des Virus, sagte er am Sonntag dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Das höchste Opfer des Versagens brachten die Pflegebedürftigen.“ Pflegeheime dürften niemals mehr Orte des einsamen Sterbens sein.

„Die Politik wollte alles machen und hat damit das Wichtige aus den Augen verloren“, kritisierte Brysch. Viel zu lange habe selbst der Grundschutz mit Masken und Desinfektionsmitteln in der Langzeitpflege gefehlt. „Ein überzeugendes Testregime gab es nie und zusätzliche Hilfskräfte sowie Ausweichquartiere waren nicht mal angedacht.“ Die einrichtungsbezogene Impfpflicht habe dem Berufsklima geschadet, ohne das Virus zu stoppen.