Köln (epd). Der Epidemiologe Klaus Stöhr kritisiert fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie eine mangelnde Aufarbeitung. „Wenn man nicht aus seinen Fehlern lernt, dann macht man die halt wieder“, sagte der Virologe aus dem Sachverständigenausschuss zur Evaluation der Corona-Maßnahmen am Donnerstag dem WDR-Radio. Kritisch bewertete Stöhr, dass Schulen und Kitas geschlossen worden seien, obwohl sich herausgestellt habe, dass Kinder keine Treiber der Pandemie gewesen seien. Sie seien seltener und leichter erkrankt als Erwachsene. Trotzdem habe man „die Schließungen durchgezogen“.
Eine gute Aufarbeitung sei die Voraussetzung dafür, in weiteren Pandemien besser aufgestellt zu sein, betonte der Virologe und Epidemiologe, der als freier Berater arbeitet. Es gehe nicht darum, abzustrafen, sondern sich unvoreingenommen, ergebnisoffen anzuschauen, „was gut gelaufen ist, was nicht so gut gelaufen ist“, betonte der Wissenschaftler, der unter anderem bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Leiter des globalen Influenza-Programms war.
In Deutschland seien in der Pandemiezeit 500 Milliarden Euro aus dem Nachtragshaushalt in die Hand genommen worden, sagte der Wissenschaftler. Zudem seien mehr als 280 Millionen Impfdosen vernichtet worden. Im vergangenen Jahr seien noch einmal 500 Millionen Euro ausgegeben worden, um zu viel gekaufte Masken zu vernichten. „Das sind alles Dinge, die sollte man sich in einer Retrospektive anschauen“, sagte Stöhr.
Die Maßnahmen zur Reduktion der Kontakte seien „absolut richtig“ gewesen, betonte der Virologe. „Das war wichtig, bis der Impfstoff kam“. Es sei allerdings deutlich mit Daten belegbar: „Man hat die richtigen Maßnahmen umgesetzt, aber zu lange, zu intensiv und häufig auf die falsche Art und Weise“. Andere Länder hätten dies in unterschiedlicher Weise gehandhabt.
Skeptisch äußerte sich Stöhr mit Blick auf Berichte, dass nach Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes BND das Coronavirus und seine Ausbreitung auf einen chinesischen Laborunfall zurückzuführen sein könnten. Die Daten seien nicht schlüssig, sagte der Wissenschaftler. Wichtig bleibe allerdings, sich auf weitere Pandemien dadurch vorzubereiten, dass man aus den Fehlern lerne. „Ob das Virus dann aus dem Labor kommt oder nicht, wird an den Maßnahmen, die man in der Zukunft ergreifen muss, relativ wenig ändern“, betonte Stöhr.