Berlin (epd). Bündelung von Zuständigkeiten, mehr Vertrauen in die Bürger und weniger Gesetze, dafür bessere: Die überparteiliche „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ fordert tiefgreifende Veränderungen in der deutschen Staatsorganisation. Um Vertrauen in die demokratischen Institutionen zu gewinnen, müsse man in den „Maschinenraum des Staates“, sagte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei der Vorstellung des Zwischenberichts der Initiative in Berlin.
Es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen Demokratie und der Handlungsfähigkeit des Staates, sagte Voßkuhle. Wenn die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl hätten, der Staat sei nicht handlungsfähig, würden sie sich abwenden. Umgekehrt steige das Vertrauen in den Staat, wenn er als handlungsfähig wahrgenommen werde.
Der Initiative geht es deshalb darum, die Handlungsfähigkeit des Staates zu verbessern. Sie kritisiert das komplizierte Geflecht der Zuständigkeit von Bund, Ländern und Kommunen etwa im Sozialleistungs- und Asylsystem sowie den Reformstau insbesondere bei der Digitalisierung. Ein weiteres Ziel sollte in ihren Augen mehr Bürgernähe sein.
Gegründet wurde die Initiative im vergangenen Jahr von Voßkuhle, den früheren Bundesministern Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) sowie der Managerin Julia Jäkel. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft über die Initiative übernommen.
Der Zwischenbericht formuliert elf Handlungsbereiche mit insgesamt 30 Empfehlungen. Geraten wird unter anderem dazu, ein Ministerium für Digitalisierung und Verwaltung für Fortschritte in diesem Bereich zu gründen, die Zuständigkeit für Abschiebungen und alle Sozialleistungen beim Bund zu bündeln, nationale Sicherheitsgremien einzurichten und den Bürgerinnen und Bürgern mit einem Vertrauensvorschuss zu begegnen, indem man Dokumentations- und Nachweispflichten reduziert. Empfohlen wird auch, bei der Gesetzgebung auf „weniger ist mehr“ zu setzen und die Verfahren dafür gründlicher, transparenter und integrativer zu gestalten.
Bei Abschiebungen werde alles, was aktuell nicht funktioniere, nicht besser, wenn es beim „Zuständigkeitswirrwarr“ bleibt, gab der frühere Bundesinnenminister de Maizière ein Beispiel. Der Bericht schlägt dazu unter anderem auch vor, dass der Bund selbst Abschiebehafteinrichtungen betreibt. Der frühere Bundesfinanzminister Steinbrück forderte eine Vereinheitlichung bei Sozialleistungen, die schon bei Begriffen anfängt. Es gebe je nach Behörde unterschiedliche Definitionen von „Einkommen“, „häusliche Lebensgemeinschaft“, sogar „Kind“, sagte er.
Die Verlegerin Jäkel warb für einen „neuen Ansatz im Verhältnis zu seinen Bürgerinnen und Bürger“. Unter dem Stichwort "Vertrauensvorschuss schlägt die Initiative vor, Berichts- und Nachweispflichten zu reduzieren, dafür Stichprobenkontrollen moderat zu erhöhen und Betrug härter zu bestrafen. Wer sich richtig verhalte, solle entlastet werden, erläuterte sie.
Im vorletzten Punkt des Katalogs schließt sich die Initiative zudem der Forderung Steinmeiers nach einer allgemeinen Dienstpflicht an. Voßkuhle begründete das auch mit einer stärkeren Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei Reformen, weil sie selbst sehen würden, wie es in einem Krankenhaus oder in der Bundeswehr aussieht. Der letzte Punkt des Berichts ist ein Plädoyer für Bürgerräte.
Die Initiative wollte ihren Bericht ursprünglich bis September erarbeiten, hat sich wegen der vorgezogenen Bundestagswahl aber für den früheren Zwischenbericht entschieden. Ein Abschlussbericht mit weiteren Konkretisierungen soll im Juli fertig sein. Über den Zwischenbericht haben die Mitglieder Initiative de Maizière zufolge auch bereits mit den Verhandlern von Union und SPD für eine künftige Regierungskoalition im Bund gesprochen.