Psychologin: Menschen brauchen jetzt positive Zukunftsbilder

Psychologin: Menschen brauchen jetzt positive Zukunftsbilder
06.03.2025
epd
epd-Gespräch: Julia Pennigsdorf (epd)

Hannover (epd). Angesichts einer krisenhaft zugespitzten Weltlage will die Sozialpsychologin Christine Morgenroth dazu ermutigen, „in positiven Utopien zu denken“. Morgenroth: „Zu keinem Zeitpunkt der Geschichte haben es sich Menschen verbieten lassen, über die bessere Gestaltung ihres Lebens nachzudenken“, betonte die Professorin an der Leibniz Universität Hannover im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Utopien seien keine Illusionen, sie stünden für Hoffnung auf Veränderung.

Es sei nachvollziehbar, dass viele Menschen aufgrund höchst komplexer nationaler und internationaler Herausforderungen psychische Abwehrmechanismen wie den Rückzug ins Private und Nachrichtenvermeidung entwickelten. So versuchten sie, ihre Ängste in den Griff zu bekommen, sagte Morgenroth.

Allerdings könne der Rückzug aus öffentlichen Bezügen zu Realitätsverzerrung, Handlungsunfähigkeit und schließlich dem Bedürfnis führen, „den falschen Propheten zu folgen“. Diese versprächen leichte Lösungen, verbreiteten aber letztlich nur Falschbehauptungen - etwa über Menschen mit Migrationsgeschichte.

„Die Verbreiter solcher Fakes erwarten Gefolgschaft, bieten dafür aber Zugehörigkeit zu einem scheinbar wichtigen, größeren Zusammenhang an“, sagte Morgenroth. Zudem dienten ihre dominanten Führungspersönlichkeiten den Anhängern rechtsextremer und autoritärer Weltanschauungen als Identifikationsfiguren. „Das entlastet von persönlicher Verantwortung und delegiert alle heiklen ethisch-moralischen Fragen an das Führungspersonal“, erläuterte sie.

Um zuversichtlich zu bleiben, helfe es, „realistische Utopien“ zu entwickeln und sie gemeinsam mit anderen zu verfolgen. „Utopien geben Orientierung und vermitteln Zuversicht. Aus dieser Quelle erwächst ein Motiv zum Handeln“, sagte Morgenroth. Das zeigten etwa die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Deutschland.

Den traditionellen Parteien sei es bislang nicht gelungen, „eine neue Zukunftsgeschichte“ zu erzählen, kritisierte Morgenroth. „Utopien helfen jedem Einzelnen, sie stärken die sozialen Widerstandskräfte. Und die sind dringend nötig, um eine demokratische Gesellschaft nicht im autoritären Sumpf versinken zu lassen, der bereits mehr als einmal im Faschismus geendet ist“, sagte sie.