Reaktionen der Kirchen auf die Wahl

Deutschlandfahne aus Herzen
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Was sagen Vertreter aus Kirche und Religion zum Ergebnis der Bundestagswahl?
Deutschland hat gewählt
Reaktionen der Kirchen auf die Wahl
Die Kirchen rufen nach der Bundestagswahl zu Zusammenhalt und Kompromissbereitschaft auf. Es sei jetzt eine "anspruchsvolle Aufgabe", sagte Kirsten Fehrs "mit diesem Wahlergebnis konstruktiv und verantwortungsvoll umzugehen". Auch Bischof Bätzing und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, äußerten sich.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, sagte, die Tage und Wochen vor der Wahl seien geprägt gewesen von stark emotionalisierten Debatten, die die gesellschaftliche Stimmung aufgeheizt hätten. "Jetzt nach der Wahl stehen die Parteien der demokratischen Mitte vor der anspruchsvollen Aufgabe, mit diesem Wahlergebnis konstruktiv und verantwortungsvoll umzugehen", erklärte die Hamburger Bischöfin am Sonntagabend.

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am Sonntag wurden dem vorläufigen Ergebnis zufolge die Unionsparteien mit 28,6 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die AfD kam auf 20,8 Prozent. Dem Bundestag gehören außerdem die SPD (16,4 Prozent), die Grünen (11,6 Prozent) und die Linke (8,8 Prozent) an. Alle weiteren Parteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei 82,5 Prozent.

"Ich ermutige alle, sich weiterhin für ein Miteinander einzusetzen, das von Respekt, Solidarität und Achtung der Menschenwürde geprägt ist", sagte Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) Kristina Kühnbaum-Schmidt zum Ergebnis der Bundestagswahl. Sie nahm insbesondere in Bezug auf drei Bundesländer auf dem Gebiet der Nordkirche Stellung. "Viele Menschen übernehmen Verantwortung und gestalten mit ihrer Stimme die Zukunft unseres Landes mit – dafür steht die hohe Wahlbeteiligung bei dieser Bundestagswahl. Sie ist ein ermutigendes Zeichen für eine lebendige Demokratie. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar. Mit großer Sorge sehe ich allerdings, dass in Teilen unseres Kirchengebietes auch Kandidatinnen und Kandidaten direkt in den Bundestag gewählt wurden, deren Äußerungen und Positionen unsere Gesellschaft spalten und Menschen ausgrenzen." Umso mehr komme es jetzt darauf an, nicht nachzulassen im gemeinsamen Einsatz für Demokratie, Menschenwürde und Nächstenliebe. "Ich ermutige alle, sich weiterhin für ein Miteinander einzusetzen, das von Respekt, Solidarität und Achtung der Menschenwürde geprägt ist. Denn als Christinnen und Christen sind wir gerufen, nicht wegzusehen, sondern das Evangelium der Liebe und Gerechtigkeit in Wort und Tat zu bezeugen. Unterschätze nur niemand die Kraft, die von Nächstenliebe und Barmherzigkeit ausgeht!"

Parteien müssen für stabile Ordnung sorgen

Die hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Christiane Tietz ruft zur verantwortungsvollen Zusammenarbeit für das Wohl des Landes auf. "Die Menschen setzen auf die Demokratie. Mit Sorge erfüllt mich, dass jede fünfte Stimme an eine populistische Partei ging. Umso wichtiger ist eine stabile Regierung in einer instabilen Welt", sagte Tietz am Sonntagabend in Darmstadt. Viele Bürgerinnen und Bürger sehnten sich nach Orientierung und Hoffnung, nach äußerer und innerer Sicherheit.

Die biblische Jahreslosung "Prüft alles und behaltet das Gute" (1. Thessalonicher 5,21) könne auch ein Wunsch an die neu gewählten Abgeordneten des Bundestags sein, sagte die Kirchenpräsidentin. "Sie müssen in ihrem Amt nüchtern prüfen, was für die Menschen und unsere menschliche Gemeinschaft gut ist." Aus christlicher Perspektive reiche es dafür nicht aus, Mehrheiten zu bilden. Gut werde politisches Denken und Handeln, wenn es sich für den Schutz der Würde aller Menschen, für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit einsetze und dem Zusammenhalt der Gesellschaft diene. Kirche und Diakonie wollten an diesem Ziel weiter mitarbeiten.

Bischof Bätzing: "Jetzt muss gehandelt werden"

Der Limburger Bischof Bätzing sagte der Tageszeitung "Welt" (Montag): "Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler will eine Stärkung der demokratischen Mitte, was sich am Wahlergebnis zeigt. Ich hoffe, dass wir jetzt zügig eine stabile Regierung bekommen, die die Probleme anpackt." Extremistische Kräfte und solche, die trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine mit Russland sympathisieren, dürften nicht den Ton angeben.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte der "Welt", er sei erschrocken über den Wahlerfolg der AfD, die ihren Stimmenanteil in nur drei Jahren verdoppelt habe. Es müsse alle umtreiben, "dass ein Fünftel der deutschen Wähler einer mindestens in Teilen rechtsextremistischen Partei ihre Stimme gibt, die sprachlich und ideologisch offen Verbindungen zum Rechtsradikalismus und Neo-Nazismus sucht, mit den Ängsten der Menschen spielt und ihnen nur scheinbare Lösungen anbietet".

Kirche muss mit AfD-Anhängern sprechen

Nach dem Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl will die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland in einen stärkeren Diskurs mit Anhängern der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei treten. Seine Kirche werde neu überlegen, wie sie die Menschen erreiche, kündigte der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer am Montag in Magdeburg an. Dazu gehöre es, sich in der Kampagne "#VerständigungsOrte" zu engagieren und das Gespräch mit allen zu suchen.

Die Menschen spüren laut Kramer, dass es um die Demokratie geht. Erfreulich sei daher die sehr hohe Wahlbeteiligung auch in den ostdeutschen Bundesländern. Gleichzeitig werde deutlich, dass Regierungen immer komplizierter zu bilden sind und die Gesellschaft Kompromisse schätzen müsse. Das sei in polarisierten Zeiten nicht leicht zu bewerkstelligen. Kramer sagte, die Zustimmung für die AfD in Mitteldeutschland sei weiterhin sehr hoch.

Meyns warnt vor rechtsextremen Kräften

Der evangelische braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns ruft dazu auf, die Demokratie in Deutschland zu stärken. Es sei besorgniserregend, dass rechtsextreme, demokratiefeindliche Kräfte weiter Zulauf erhalten, auch im Braunschweiger Land, sagte Meyns am Montag in Wolfenbüttel. Die neue Regierung müsse die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und pragmatisch Probleme lösen. Nicht alle, die Sympathien für eine rechtsextreme Partei hegten, seien rechtsextrem, sondern häufig enttäuscht von anderen Parteien.