Hanau: Bundespräsident ruft zum Eintreten gegen Rassismus auf

Hanau: Bundespräsident ruft zum Eintreten gegen Rassismus auf
Am fünften Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau haben Politiker in Hanau dazu aufgerufen, die Stimme gegen Hass und Ausgrenzung zu erheben. Einige Angehörige griffen die Stadt und die Politik an.

Hanau (epd). Der Bundespräsident, das Land Hessen und die Stadt Hanau haben am Mittwoch gemeinsam mit Angehörigen der neun Opfer des rassistischen Anschlags vom 19. Februar 2020 in Hanau gedacht. Neben Politikern nahmen Vertreter des Islamischen Vereins Hanau, der Kurdischen Gemeinde Deutschland, der evangelischen und katholischen Kirche sowie der jüdischen Gemeinde an der Gedenkfeier teil. Rednerinnen und Redner riefen zum Kampf gegen menschenfeindliche Ideologien auf und mahnten Politik und Behörden an ihre Verantwortung.

„Es ist an uns, für ein gutes Miteinander zu sorgen, jeden Tag und immer wieder aufs Neue“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die rechtsextremistisch motivierten Morde von Hanau seien ein Anschlag auf das friedliche Zusammenleben im Land gewesen. „Sie waren ein Anschlag auf unsere offene Gesellschaft und unsere liberale Demokratie - genau wie die vermutlich islamistisch motivierten Anschläge der vergangenen Monate, zuletzt erst vor wenigen Tagen in München“, sagte Steinmeier. Er bedauere zutiefst, dass einige Angehörige der Ermordeten nach der Tat den Eindruck hatten, den Staat erst zur Aufklärung drängen zu müssen.

Steinmeier mahnte: „Unser demokratischer Rechtsstaat muss wachsam und achtsam sein, und er muss alles tun, um alle Menschen zu schützen, die hier leben - ganz egal, woher sie kommen, woran sie glauben oder wen sie lieben.“ Viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte erlebten Angst, wenn sie nach den jüngsten Anschlägen gerade in diesen Tagen vermehrt Misstrauen und Ausgrenzung erführen.

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus. „Es macht mich sehr betroffen, dass der Staat die Tat nicht verhindern konnte“, sagte er. „Sie ist Mahnung, jede Form von Gewalt und Hass zu bekämpfen.“ Hass sei eine reale Gefahr, er sei heute auch zu einem „politischen Geschäftsmodell“ geworden, warnte Rhein. Hass gedeihe schleichend, durch Schweigen und durch Gleichgültigkeit. "

„Der 19. Februar 2020 hat eine tiefe Wunde in das Gesicht unserer Stadt geschlagen“, sagte Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). „Die Trauer bleibt, aber sie muss zur Quelle einer Kraft werden, um noch engagierter für Toleranz, Respekt und ein Miteinander einzutreten.“ Die Stadt errichte ein „Amt für Sozialen Zusammenhalt“ und ein „Haus für Demokratie und Vielfalt“. Kaminsky hob hervor: „In einer Welt, die oft von Spaltung und Konflikt geprägt ist, sind Liebe und Mitgefühl die einzigen richtigen Antworten. Hass und Gewalt bringen nur mehr Leid.“ Den Einwohnern aus 140 Nationen in Hanau sage er: „Sie sind Bürger unserer Stadt!“

Die Angehörigen am Rednerpult setzten unterschiedliche Akzente. „Dieses Ereignis ist ein Schandfleck in der Geschichte Hanaus und auch Deutschlands. Deutschland und Hanau schulden mir ein Kind“, rief Emis Gürbüz. Sie machte die Stadt für die Ausführung des Anschlags verantwortlich. Cetin Gültekin, der seinen Bruder verlor, lenkte den Blick auf die Gegenwart: Menschen würden im Wahlkampf wegen ihrer Herkunft oder ihres Aufenthaltsstatus unter Generalverdacht gestellt und zum Sündenbock gemacht, kritisierte er.

Serpil Temiz Unvar berichtete, dass die aufgrund der Ermordung ihres Sohnes gegründete Bildungsinitiative Ferhat Unvar Jugendliche anleite, 80 bis 90 Workshops im Jahr an Schulen und anderen Einrichtungen zu halten. Sie sensibilisierten für Menschlichkeit und Mitgefühl und gegen menschenfeindliche Ideologien. „Liebe ist stärker als Hass“, sagte Unvar. Said Etris Hashemi, der seinen Bruder verlor und selbst verletzt wurde, erinnerte daran, dass Hanau kein Einzelfall sei. „Rassismus fällt nicht vom Himmel“, sagte er.

Am Vormittag hatte eine Trauerfeier auf dem Hanauer Hauptfriedhof stattgefunden. Kirchen verschiedener Konfessionen und die Jüdische Gemeinde gedachten in Gedenkfeiern der Opfer des Anschlags und baten um Frieden, Versöhnung und Akzeptanz. Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Hanauer acht junge Männer und eine junge Frau aus rassistischen Gründen erschossen, anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst.