Extremismus-Experte: "Den typischen Täter gibt es nicht"

Extremismus-Experte: "Den typischen Täter gibt es nicht"
17.02.2025
epd
epd-Gespräch: Susanne Schröder

München (epd). Aus Sicht des Extremismus-Experten Thomas Mücke lassen sich Attentätern kaum mehr typische Tatmotive zuordnen. „Den typischen Täter gibt es nicht“, sagte der Geschäftsführer des Violence Prevention Network, Thomas Mücke, dem Evangelischen Pressedienst (epd) auch mit Blick auf den Anschlag auf eine ver.di-Demonstration in München. Die alten Raster von Risikobewertung funktionierten nicht mehr: Auch jemand mit Migrationshintergrund könne einen rechtsextremen Anschlag verüben, auch ein scheinbar gut integrierter Geflüchteter könne sich radikalisieren.

Das erschwere die Prävention von Attentaten, sagte der Extremismus-Experte. Ein besonderes Augenmerk müsse die Gesellschaft jedoch auf die junge Generation legen, denn seit rund zwei Jahren zeige sich eine starke Verjüngung in der Szene des religiösen Extremismus. „Zwei Drittel der Tatverdächtigen bei den seither 21 Anschlagsversuchen in Westeuropa waren zwischen 13 und 19 Jahren alt“, erklärte Mücke.

Jugendliche, die für ihr Leben wenig Perspektive sähen, seien anfälliger für extremistische Narrative. „Vor jeder Radikalisierung gibt es einen emotionalen Schmerz“, sagte Experte. Die Gesellschaft müsse sensibel sein, wenn Kinder und Jugendliche „sich nicht gut fühlen in ihrem Leben“, und rechtzeitig Hilfe anbieten. Das bundesweit tätige Violence Prevention Network hat seinen Sitz in Berlin und betreibt Beratungsstellen in Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen.

Anders als früher findet Radikalisierung laut Mücke heute fast ausschließlich im Internet statt. „Von den Algorithmen geht eine große Gefahr für Kinder und Jugendliche aus, die in kürzester Zeit mit extremistischen, hasserfüllten Inhalten überflutet werden“, erklärte er. Oft brauche es für einen Anschlag keine starke Radikalisierung, sondern nur das medial vermittelte Gefühl, mit der Tat Macht über Menschen ausüben zu können. Er forderte deshalb eine stärkere Regulierung der sozialen Medien nach australischem Vorbild, wo Plattformen wie Instagram und TikTok neuerdings erst ab 16 Jahren erlaubt sind.

Am vergangenen Donnerstag war ein Autofahrer in der Münchner Innenstadt in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft ver.di gerast. 39 Menschen wurden verletzt, eine 37-jährige Mutter und ihre 2-jährige Tochter starben am Samstag im Krankenhaus. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen 24 Jahre alten Afghanen, der in Untersuchungshaft sitzt. Die Ermittler vermuten ein islamistisches Motiv.